Schutzwald

Aufforstungen im Kampf gegen Lawinen

Die Schutzwaldforschung am SLF begann in den 1950-er Jahren. Nach dem Lawinenwinter 1951 (Abb. 1), als sich viele Lawinen aus bewaldeten Hängen gelöst hatten, wurden grosse Anstrengungen unternommen, um solche Hänge wieder aufzuforsten. Das SLF begleitete verschiedene dieser Aufforstungsversuche und untersuchte deren Einfluss auf die Schneedecke und Lawinenaktivität.

Die bekannteste dieser Aufforstungen war die Versuchsfläche am Stillberg im Dischmatal bei Davos mit rund 92'000 gepflanzten Bäumen (Abb. 2). Dort führten verschiedene Wissenschaftler in der Folge umfangreiche und für die Gebirgswaldpraxis sehr relevante Untersuchungen über Ökologie und Aufforstung von Waldgrenzenbäumen durch. Dies war die erste bedeutende Zusammenarbeit zwischen der damaligen EAFV (heute WSL) und dem SLF.

Grenzen der Schutzwirksamkeit - Lawinenanrisse im Wald

Schon früh wurde erkannt, dass der Wald die Schneedecke nicht nur durch seine Baumstämme stützt, sondern vor allem das Kronendach deren Stabilität beeinflusst. Deshalb beschäftigte sich das SLF zunehmend auch mit bereits bestehendem Wald als Lawinenschutz. Das Interesse an dieser Thematik und insbesondere an Lawinenanrissen im offenen Wald (Waldlawinen) vergrösserte sich in den 1980-er Jahren schlagartig, als sich die Gesellschaft Sorgen über ein Waldsterben im Gebirgswald machte. In dieser Zeit erfolgte ein umfangreiches Monitoring von Waldlawinen (Abb. 3), welches noch heute dazu dient, die Schutzwirksamkeit von Gebirgswäldern zu beurteilen. Gleichzeitig beschäftigte sich das SLF intensiv mit den Wechselwirkungen zwischen Wald und Schneedecke. Im Lusiwald bei Davos-Laret untersuchte es beispielsweise, wie sich die Schneedecke auf den Jungwuchs von subalpinem Fichtenwald auswirkt und welche Massnahmen für die Verjüngung solcher Wälder sinnvoll sind.

Schutzwald und Schutzwaldforschung im Wandel

So wie sich der Wald und die Erwartungen an ihn während der letzten Jahrzehnte geändert haben, haben sich auch die Schwerpunkte der Schutzwaldforschung verschoben. Nachdem die Waldfläche im Gebirge deutlich zugenommen hat, forstet die Praxis heute weniger Hochlagen auf als noch vor 60 Jahren. Das SLF erforscht nun schwerpunktmässig, wie sich der Klimawandel oder natürliche Störungen wie Windwurf auf die Schutzwirksamkeit von Gebirgswäldern auswirken (Abb. 4). Dabei können die Forschenden heute Methoden verwenden, welche es zu Beginn der Schutzwaldforschung am SLF noch nicht gab. Beispiele dafür sind Waldstrukturerfassungen mit Laserscanning, Jahrringanalysen oder Computersimulationen von Wald-Lawineninteraktionen. Dennoch gehören die früheren SLF-Forschungsprojekte noch immer zu den wichtigsten Grundlagen für aktuelle Forschungsfragen. So nutzen die heutigen Forscher die Stillberg-Aufforstung unter anderem dazu, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Waldgrenze zu studieren. Die in den 1980-er Jahren erfassten Waldlawinendaten (Abb. 3) verwenden sie ausserdem zusammen mit neueren Datengrundlagen, um lawinendynamische Modelle und Risikoanalysen im Waldbereich zu verbessern. Wichtiger denn je ist dabei eine gute Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen der Schnee- und Lawinenforschung am SLF sowie mit der Waldforschung der WSL.