Geschichte ¶
Seit 1936 auf dem Weissfluhjoch eine Handvoll Forscher im ersten Schneelabor einzogen, hat sich das SLF zu einem renommierten Forschungsinstitut mit fast 150 Mitarbeitenden im Davoser Talboden entwickelt. Den Weg dahin markieren verschiedene Meilensteine.
1931 | Oberforstinspektor Marius Petitmermet, ETH-Schulratspräsident Arthur Rohn und Vertreter der Forstwissenschaften, der Hydrologie, des Eisenbahnbaus und von Kraftwerken gründen die Schweizerische Lawinen kommission in Bern, mit der Aufgabe, das schon vorhandene Beobachtungsmaterial bzgl. Lawinen aus der ganzen Schweiz auszuwerten. Bald wird jedoch klar, dass es nicht genügt, sich mit Lawinen auseinanderzusetzen. Auch die Schneestruktur muss untersucht werden, um Lawinenbildungsprozesse besser zu verstehen. |
1935 | Die in der Zwischenzeit in Schnee- und Lawinenkommission umbenannte Kommission schickt ein multidisziplinäres Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Robert Haefeli nach Davos. Um den "äusserst verwickelten Verhältnissen [des Schnees] auf die Spur zu kommen", sollen Schneekristalle als Grundlage für das Lawinenverständnis möglichst geschützt in einem Kältelabor untersucht werden. Deshalb wird im Dezember 1935 in Davos Platz als Labor eine Hütte von drei mal vier Metern Fläche und einer Höhe von etwas mehr als zwei Metern komplett aus Schnee gebaut. |
1936 | Ein neues Labor und ein Versuchsfeld werden auf dem 2662 m hoch gelegenen Weissfluhjoch bei Davos zur Untersuchung der Schneemetamorphose und Lawinenbildung eingerichtet. Die Parsennbahn stellt eine Holzbaracke und einen Arbeitsraum in der Bergstation zur Verfügung. Jeden Winter wird die Holzbaracke eingeschneit und erfüllt so ihre Funktion als natürliches Kältelabor unter der Schneedecke mit gleichbleibender Temperatur von -5 bis -7°C. |
1939 | Das Buch "Der Schnee und seine Metamorphose" wird veröffentlicht. |
1942 | Das Eidgenössische Institut für Schnee- und Lawinenforschung, Davos-Weissfluhjoch wird gegründet und bezieht 1943 unter der Leitung von Dr. Edwin Bucher das erste Institutsgebäude auf dem Weissfluhjoch. Die Themen "Entwicklung der Schneedecke", "Schneemechanik und Lawinenbildung" und "kristalline Struktur und Umwandlung des Schnees" sind die zentralen Forschungsgebiete. |
1944 | Erste Kältelaboratorien werden in Betrieb genommen. |
1945 | Das SLF übernimmt die Verantwortung für die Lawinenwarnung, für die bis dahin die Schweizer Armee zuständig war. Zwischen 1946 und 1950 wird mit zwanzig Beobachtungsstationen ein ziviler Lawinenwarndienst aufgebaut, der dem aufstrebenden Wintertourismus grundsätzlich ein Lawinenbulletin pro Woche über Radio und Presse bekannt gibt. |
1950 | Wechsel in der Institutsleitung von Dr. Edwin Bucher zu Dr. Marcel de Quervain. |
1950/51 | Der Lawinenwinter 1950/51, welcher in der Schweiz 98 Todesopfer fordert, bringt eine entscheidende Wende. Neben der Grundlagenforschung ist nun auch die praktische Unterstützung in Verbauungstechniken und im Lawinenwarndienst gefragt. Die Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Meteorologischen Anstalt (SMA) wird ausgebaut, um die Zuverlässigkeit des Lawinenbulletins weiter zu erhöhen. |
1953 | Da der Wald als langfristiger Lawinenschutz an Bedeutung gewinnt, beginnt die Zusammenarbeit mit der Eidg. Anstalt für das forstliche Versuchswesen EAFV in Birmensdorf. Langfristige gemeinsame Projekte werden lanciert, z.B. die Versuchsfläche „Stillberg“ im Dischmatal zur Untersuchung von Aufforstungen in einer Lawinenanrisszone nahe der Waldgrenze. |
1955 | Durch den EMPA-Wissenschaftler Adolf Voellmy gelangt eine fundamentale Arbeit ins SLF, die es ermöglicht, Auslaufstrecken und dynamische Druckwirkungen von Lawinen zu berechnen. Damit ist eine zentrale Grundlage zur Berechnung von Schutzbauten in der Sturzbahn und im Auslauf (Ablenkwerke, Galerien) und zur Abgrenzung von Lawinengefahrenzonen in Siedlungsgebieten geschaffen. |
1956 | Das SLF errichtet neben dem Institut eine Schneegleitbahn. Die Versuche mit der Schneegleitbahn geben Aufschluss über das Fliessverhalten von Schnee, über seine Druckwirkung beim Auftreffen auf feste Hindernisse und über die Bremswirkung von gegliederten Hindernissen |
1960 | Das SLF erstellt erstmals eine Lawinengefahrenkarte, und zwar für die Gemeinde Wengen. |
1965 | Die ersten Lawinenverschütteten-Suchgeräte werden am SLF getestet. |
1968 | Der Lawinenwinter 1968 trifft Davos besonders stark. Das Institut ist für drei Wochen isoliert. |
1972 | Untersuchungen über die Wirkung von Explosionen auf die Schneedecke ermöglichen die Herausgabe von Richtlinien für die künstliche Lawinenauslösung an die Praxis. |
1973 | Beginn von Untersuchungen zur quantitativen Lawinenprognose und zur Schneedeckenentwicklung in Hanglagen (Versuchsgebiet Gaudergrat). |
1980 | Wechsel in der Institutsleitung von Prof. Dr. Marcel de Quervain zu Prof. Dr. Claude Jaccard. |
1983 | Erste Messungen von Lawinengeschwindigkeiten im Lukmanier-Gebiet. |
1986 | Das SLF feiert 50 Jahre Schnee- und Lawinenforschung auf dem Weissfluhjoch. |
1989 | Das SLF wird der EAFV angegliedert - so entsteht die heutige Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Seit dem Zusammenschluss gehört das SLF zum ETH-Bereich. |
1992 | Wechsel in der Institutsleitung von Prof. Dr. Claude Jaccard zu Dr. Walter Ammann. |
1993 | Die Internationale Arbeitsgruppe der Europäischen Lawinenwarndienste setzt einen Meilenstein in der Geschichte der Lawinenwarnung: Erstmals einigen sich die Vertreter der europäischen Alpenländer auf eine einheitliche Definition der Lawinengefahrenstufen: Die fünfstufige Europäische Lawinengefahrskala ist geboren. |
1995 | Neu unterhalten die WSL und das SLF auch eine Aussenstelle in Sion, damit die Anliegen des Kanton Wallis besser bearbeitet werden können. |
1996 | Das neu erbaute Institutsgebäude an der Flüelastrasse in Davos Dorf wird zum Hauptsitz des SLF. Das ehemalige Institutsgebäude auf dem Weissfluhjoch steht der Forschung nach wie vor zur Verfügung. Das SLF beginnt mit dem Aufbau des Interkantonalen Mess- und Informationssystems IMIS, ein Netz von Schnee- und Windmessstationen. Heute umfasst das IMIS Netz über 160 Messstationen verteilt über den ganzen Schweizer Alpenraum. |
1997/98 | Im Winter 1997/1998 wird das Testgelände für Lawinendynamik "Vallée de la Sionne" in Betrieb genommen. Ab dem Winter 1997/98 wird das Nationale Lawinenbulletin neu abends um 17 Uhr (deutsch) als Prognose für den nächsten Tag veröffentlicht. Mit Nord- und Mittelbünden beginnt die sukzessive Einführung der Regionalen Lawinenbulletins, die morgens um 8 Uhr publiziert werden. |
1999 | Die Lawinenkatastrophen im Februar 1999 fordern in der Schweiz 17 Tote, rund sechsmal weniger als im vergleichbaren Lawinenwinter 1950/51. Die seit 1951 laufend getroffenen Schutzmassnahmen haben sich somit bewährt. |
2002 | Das Interkantonale Frühwarn- und Kriseninformationssystem IFKIS für die Lawinenwarndienste wird am SLF in Betrieb genommen. |
2004 | Die Forschungsaktivitäten im Bereich Naturgefahren dehnen sich in Davos und in Birmensdorf aus. Modelle für die Prozessdynamik werden auf Murgänge erweitert. Im Rahmen von Pilotprojekten werden Warn- und Informationssysteme für hydrologische Naturgefahren in Alpentälern (Wildbäche, Murgänge) entwickelt. |
2006/07 | Der Forschungsbereich Naturgefahren sowie die zwei weiteren Forschungsbereiche Wald und Landschaft der WSL werden im Rahmen einer Reorganisation aufgelöst. Neu entstehen an der WSL 16 Forschungseinheiten. Die verschiedenen Standorte arbeiten enger zusammen als je zuvor. Dr. Walter Ammann wird zunächst Vizedirektor der WSL, übernimmt später die Leitung der International Disaster Reduction Conference IDRC und gründet das Global Risk Forum. Neuer Standortleiter in Davos wird Dr. Jakob Rhyner. |
2008 | Das SLF heisst neu WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF. |
2009 | Das SLF führt in Davos den ersten europäischen „International Snow Science Workshop“ (ISSW) durch. Der Operationelle schneehydrologische Dienst OSHD nimmt seinen Bulletinbetrieb auf. |
2010 | Die vom SLF in Zusammenarbeit mit MeteoSchweiz und dem Bundesamt für Umwelt entwickelte Gemeinsame Informationsplattform Naturgefahren GIN wird in Betrieb genommen. |
2011 | Das SLF feiert 75 Jahre Schnee- und Lawinenforschung mit Veranstaltungen in der ganzen Schweiz. Dr. Jakob Rhyner verlässt das SLF und wird Vize-Rektor Europa der Universität der Vereinten Nationen UNU und Direktor des UNU-Instituts für Umwelt und menschliche Sicherheit in Bonn. Dr. Jürg Schweizer wird der neue Leiter des SLF. |
2012/13 | Im Winter 2012/13 führt das SLF grundlegend erneuerte Lawinenbulletins ein. Die wesentlichen Veränderungen: Zwei Einschätzungen pro Tag (17 Uhr und 8 Uhr), für alle Regionen viersprachig sowie zoombare und interaktive Gefahrenkarte. Die Gefahrenbeschreibung wird erstmals aus einem Satzkatalog aus Textbausteinen mit automatischer Übersetzung zusammengestellt. Das Lawinenbulletin ist optimiert für Internet und Smartphones. |
2013 | Die von SLF und SUVA entwickelte interaktive Lawinen-Präventionsplattform «White Risk» geht online. |
2016 | Das Vallée de la Sionne feiert 20-jähriges Jubiläum und die Zusammenarbeitsvereinbarung zwischen dem Kanton Wallis und der WSL wird erneuert. |
2018 | Die UNESCO nimmt den Umgang mit der Lawinengefahr in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit auf. |
2019 | Das ehemalige Institutsgebäude des SLF auf dem Weissfluhjoch wird an die Davos Klosters Bergbahnen AG verkauft. |
2019/20 | Forschende des SLF und der WSL nehmen an der bisher grössten Expedition in die Arktis teil: MOSAiC - Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate. Sie verbringen insgesamt fast 13 Monate auf dem Forschungsschiff Polarstern. |
2020 | Das SLF erhält den King Albert Mountain Award und wird für sein gezieltes Engagement in der Lawinenprävention für Bevölkerung und Alpinismus ausgezeichnet. |
2020 | 75 Jahre Lawinenbulletin. Am 21. Dezember 1945 hat das SLF das erste Lawinenbulletin veröffentlicht. |
2021 | Start des CERC Climate Change, Extremes, and Natural Hazards in Alpine Regions Research Center. Das Forschungszentrum umfasst sechs Forschungsschwerpunkte: (i) Wetter- und Klimaextreme im Alpenraum, (ii) Permafrost, (iii) Fernerkundung, Früherkennung und -warnung, (iv) Alpine Massenbewegungen, (v) Gebirgsökologie und Schutzwald und (vi) Risikomanagement, Risikokommunikation und Resilienz. Es wird vom Kanton Graubünden und der Eidg. Forschungsanstalt für Wald Schnee und Landschaft WSL getragen und von der ETH Zürich unterstützt. |
2022 | Im Herbst wird der Ersatzneubau bezogen und offiziell eröffnet. Das neue Gebäude D bietet über fünfzig dringend benötigte Arbeitsplätze, denn das SLF ist thematisch und personell in den letzten Jahren stark gewachsen. Der Bau erfüllt die Kriterien von «Minergie-P-Eco» und erreicht beim «Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz» die höchstmögliche Stufe, «Platin». Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) ernennt das SLF zum weltweit führenden Kompetenzzentrum für die Schneebeobachtung. Die zuständige Kommission der WMO begründet ihren Entscheid damit, dass am SLF bereits eine hochwertige Messinfrastruktur und über 80 Jahre Wissen bestehen. |
Kontakt ¶
WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF
Flüelastrasse 11
CH-7260 Davos Dorf
Schweiz
Telefon: +41 81 417 01 11
Lawinenwarndienst: bulletin(at)slf.ch
Allgemeine Anfragen, Schüleranfragen: contact(at)slf.ch
Medien: medien(at)slf.ch
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