28.8.2019 | Logbuch
Autor ¶
Vom Schweizer Sommer in den neuseeländischen Winter: Für einen Forschungsaufenthalt verbringt SLF-Wissenschaftler Yves Bühler mit seiner Familie ein halbes Jahr auf der Südinsel Neuseelands. Landschaft und Tierwelt ziehen ihn sofort in ihren Bann. Zu schaffen macht ihm nur, dass die Häuser kaum isoliert sind, wodurch es drinnen genauso kalt ist wie draussen.
Nun sind wir also da unten, 18'500 km weg vom SLF und von Davos – in Dunedin, Otago, Neuseeland, auf der anderen Seite der Erde. Nach langer Planung, viel Vorfreude und einigen Bedenken ging es Mitte Juli ins Flugzeug: Zuerst nach Singapur, dann nach einem viertägigen Zeitzonen-Anpassungs-Stopp auf einer kleinen Insel in Indonesien weiter nach Christchurch, und schliesslich nach Dunedin auf der Südinsel Neuseelands. Für ein halbjähriges Research Fellowship an der School of Surveying, University of Otago, werden wir – meine Partnerin Ladina, ich und unsere drei Jungs Nick, Andri und Corsin – also zu «Kiwis».
Die University of Otago ist die älteste Universität von Neuseeland und feiert dieses Jahr ihr 150-jähriges Jubiläum. Sie ist mit circa 20'000 Studenten die Lebensader und der bedeutendste Wirtschaftszweig der Stadt Dunedin, die insgesamt 120'000 Einwohner hat. Die Studenten bezahlen relativ hohe Studiengebühren von 10'000 bis 25'000 NZ$ (entspricht etwa 6‘000 bis 16‘000 Franken) pro Jahr und finanzieren damit zu einem grossen Teil die Uni. Deshalb bleibt ihnen kaum Geld für die Unterkunft und sie leben zum Teil in stark heruntergekommenen «shacks» – also Bruchbuden – ohne Heizung und halten sich mit Partys und Heizdecken warm. Die Einheimischen nennen die Studentenquartiere deshalb «Slumland», obwohl sich die Temperatur auch in einem «anständigen» Kiwi-Haus kaum von der Aussentemperatur unterscheidet.
Die vielleicht mächtigsten Schneedecken der Welt
Die School of Surveying, an der mein Forschungspartner Pascal Sirguey lehrt und forscht, bildet die Vermesser und Fernerkundungsspezialisten für ganz Neuseeland aus und ist in einem alten Spital untergebracht. Als gebürtiger Franzose hat Pascal einen sehr guten Draht zu den französischen Satellitenbetreibern. Deshalb wurde er zu einem der weltweit führenden Experten für die Prozessierung der Daten der Satellitenkonstellation «Pléiades», welche optische Daten mit einer Auflösung von 50 cm aufnehmen kann. Mit diesen Daten wollen wir in Zukunft auch in entlegenen Regionen wie den europäischen oder neuseeländischen Alpen die Schneehöhen fotogrammetrisch erfassen, flächendeckend und genau. Das ist der Schwerpunkt unseres gemeinsamen Forschungsprojektes, welches auch vom Schweizerischen Nationalfonds finanziell unterstützt wird. Dafür prozessieren und analysieren wir Daten, welche über Davos und über dem Franz-Josef-Gletscher in Neuseeland aufgenommen wurden. Die Kiwis vermuten nämlich, dass sich in ihren entlegenen Regionen an der gebirgigen Westküste die mächtigsten Schneedecken der Welt bilden, können das aber aufgrund der fehlenden Stationen und Messungen noch nicht beweisen.
Winterwetter und traumhafte Strände
Innerhalb von ein paar Stunden vom Hochsommer in den Winter zu wechseln, der gerade in Neuseeland herrscht, ist kein Spass. Insbesondere, weil das Paket mit unseren Winterkleidern, welches wir aus der Schweiz abgeschickt haben, noch immer nicht angekommen ist. Zum Glück herrscht hier ein maritimes Klima und die Minimaltemperaturen sind mit circa 5 °C nicht ganz so kalt wie in Davos. Wir trösten uns damit, dass ein durchschnittlicher Wintertag hier in etwa wie ein schlechter Sommertag in Davos ist. Dennoch mussten wir den hiesigen Outdoor-Laden aufsuchen um uns ein paar anständige Jacken zu kaufen. Unglaublich schön sind hier in Dunedin die Strände, welche zum Teil in der Stadt oder daran angrenzend zu finden sind. Das Juwel Otago Peninsula, welche noch zum Stadtgebiet gehört, beherbergt an den wundervollen Stränden Seelöwen, Fellrobben, Pinguine und sogar Albatrosse mit eine eindrücklichen Flügelspannweite von bis zu vier Metern. Alle diese Tiere haben wir auf dem ersten Ausflug, zur grossen Freude der Jungs, bereits gesehen. Nun fehlen uns auf der «bucket list» nur noch die Orcas, aber das wird wohl etwas schwieriger. Hoffentlich kann ich dann in meinem nächsten Blogbeitrag darüber berichten.