Meterhohe Schneewechten können eindrücklich Zeugnis davon ablegen, wie stark der Wind die Schneedecke in den Alpen prägt. Wir erforschen in einem Windkanal und auf Messflächen, wo der Wind Schnee erodiert und ablagert und wie sich der Schnee bei der Verfrachtung verändert.
Im alpinen Gelände bläst häufig ein stürmischer Wind. Er formt Windgangel und Schneewechten (Abb.1), die über Leehänge ragen. In unebenem Gelände verfrachtet er den Schnee von Kuppen und Rücken, füllt Mulden und Rinnen auf und kann ganze Verkehrswege unpassierbar machen. Dabei verändern sich nicht nur die Schneemenge, sondern auch die Schichtung und die Stabilität der Schneedecke. Auch die Schneekristalle selber wandeln sich beim Transport: durch Kollision mit der Oberfläche und Verdunstung werden sie unterwegs kleiner. Oft bilden sich aus Triebschneeansammlungen Schneebrettlawinen. Fachleute nennen den Wind deshalb auch den „Baumeister der Lawinen“.
In verschiedenen Projekten untersuchen wir, wie Schnee verfrachtet wird und wo Erosion, respektive Ablagerung im Gelände stattfindet. Die Messergebnisse fliessen in Computermodelle ein, welche die Eigenschaften der Schneedecke simulieren und z.B. helfen Schutzmassnahmen gegen Schneeverfrachtung zu entwickeln.
Messungen im Windkanal
In zwei Windkanälen analysieren wir unter kontrollierten Bedingungen den Transport und die Sedimentation von Schnee. Wir beobachten und messen zum Beispiel Geschwindigkeit, Höhe, Flugbahn und Flugdistanz einzelner Schneepartikel (Abb. 2). Auch die Entstehung von Windkrusten auf der Schneedecke wird im Windkanal untersucht. In einem anderen Projekt beschäftigen wir uns mit der Dynamik von Triebschnee sowie seiner Wechselwirkung mit der turbulenten Strömung, da bislang noch weitgehend unbekannt ist, wie Schnee auf unbeständige Windkräfte reagiert.
Die Resultate aus dem Windkanal helfen unter anderem geeignete Schutzmassnahmen gegen Schneeverfrachtungen zu entwickeln und Schneeverfrachtungsmodelle zu verbessern. Mehr Information über die Windkanäle finden sie hier.
Messungen auf Versuchsflächen ¶
Die Experimente im Windkanal ermöglichen einen sehr guten Einblick in den grundlegenden Prozess der Schneeverfrachtung. Die komplexen Verhältnisse im Gelände geben sie jedoch nur bedingt wieder. So ist die Schneeoberfläche in freier Natur sehr unregelmässig und die Schneeeigenschaften sind sehr variabel. An manchen Stellen liegt z.B. leichter Pulverschnee, der mit geringer Windgeschwindigkeit verfrachtbar ist. Gleichzeitig kann sich an anderen Expositionen schon ein Winddeckel oder eine Kruste gebildet haben, und der Schnee lässt sich dort nicht mehr erodieren. Ausserdem bläst der Wind im Gebirge sehr böig und unregelmässig.
Auf dem Versuchsfeld Weissfluhjoch (Abb. 3) erforschen wir deshalb, wie (viel) Schnee durch turbulente Wirbel über kurze Distanzen transportiert wird. Dazu messen wir die Schneemengen, die durch den Wind nahe am Boden bis zu einer Höhe von 2 Metern verfrachtet werden und erfassen die Windgeschwindigkeit mit einer Auflösung von 0.05 Sekunden. Mit den Ergebnissen verifizieren und verbessern wir die Schneedeckenmodelle SNOWPACK und Alpine3D. Die Erkenntnisse über die Schneeverfrachtung bei böigen Winden sollen letztlich in die Prognose der Lawinengefahr einfliessen.
In einem anderen Projekt untersuchen wir, wie eine Windkruste entsteht. Es scheint unterschiedliche Arten von Windkrusten zu geben. Manchmal sind sie recht weich und bis zu einem Meter dick, manchmal sind sie sehr hart, aber nur wenige Zentimeter dick. Welche physikalischen Prozesse spielen sich dabei ab, und unter welchen Bedingungen bilden sich diese Krusten?
Messungen in der Antarktis ¶
Seit Winter 2016/2017 liefern uns zwei automatischer Messstationen Daten zum Wetter und der Schneeverfrachtung in der Ostantarktis. So können wir erstmals auch erfassen, wie sich die Schneeverfrachtung im antarktischen Winter abspielt. Anhand der Daten lässt sich abschätzen, wie viel Schnee sich innerhalb eines Jahres abgelagert und wie stark die Schneeverfrachtung den Effekt der Schneefälle reduziert hat. Der Schnee wird nicht nur durch Wegblasen reduziert, sondern v. a. auch durch Sublimation der Schneeteilchen während sie in der Luft sind. Dieser Sublimationsprozess konnte bisher nur durch stark vereinfachte Modelle wiedergegeben werden. Mithilfe unserer neuen Messungen sollte sich der Sublimationsanteil in Zukunft besser eingrenzen lassen.