«Klirr», «Knirsch», «Wumm» – die Laute, die beim Brechen von Kristallen entstehen hängen von den Eigenschaften des Materials ab. Was verraten diese Geräusche über die Mikrostruktur von Schnee und die Verformungseigenschaften von Eis?
Mikrostruktur – der Schlüssel zum Verständnis
Das Brechen eines einzelnen Eiskristalls ist mit dem menschlichen Ohr nicht zu hören, zu leise ist das entstehende Geräusch. Erst wenn eine große Anzahl von Kristallen bricht, lässt es sich als Geräusch wahrnehmen. Wie sich dieses anhört, ist von den Verformungseigenschaften von Eis und der Mikrostruktur von Schnee abhängig:
Bei tiefen Temperaturen ertönt ein Klirren oder Knirschen, da die Kristalle spröde sind und beim Brechen stark aneinander reiben. In diesem Moment verhält sich Schnee wie ein starrer Körper – unter Belastung verformt er sich nicht, sondern er bricht. Natürlich bricht er nur bei schneller Verformung, so unter unseren Füssen oder wenn sich eine Lawine bildet. Denn selbst bei Bedingungen, die uns sehr kalt erscheinen ist Eis heiss auf der Erde, auch bei -82° C (der tiefsten draussen gemessenen Temperatur) ist es nur 30% unterhalb seines Schmelzpunktes.
Bei höheren Temperaturen und bei langsamer Bewegung lassen sich Eiskristalle plastisch verformen, ohne dabei zu brechen - dabei entsteht gar kein Geräusch. Für derartige Verformungen sind in einem Eiskristall bei Temperaturen um den Gefrierpunkt nur ganz geringe Kräfte nötig: Die einzelnen Schichten des Kristalls können gegeneinander wie Spielkarten in einem Stapel verschoben werden. Insbesondere bei Temperaturen nahe am Nullpunkt reicht bereits das Eigengewicht aus, damit die Schneedecke sich fortwährend verformt, sie kriecht oder besser, fliesst wie eine zähe Flüssigkeit. Das lässt sich sehr schön beobachten, wenn kleine Schneeüberhänge am Rand eines Daches nicht abbrechen, sondern hängenbleiben, oder wie in Abbildung 1 beim Berühren des Bodens Falten werfen.
Wenn die Schneedecke genügend Zeit hat, sich durch ihr Eigengewicht zu setzen (Abb. 2), verdichtet sich der Schnee, bis er irgendwann zu Eis wird. So entsteht auch das Eis der polaren Eiskappen
Forschungsfragen
Für viele praktische Fragestellungen ist es notwendig, die mechanischen Eigenschaften von Schnee auch in Abhängigkeit von weiteren Einflussgrössen (Schneetyp, Mikrostruktur, Kristallorientierung, Dichte, Temperatur, Geschwindigkeit des Prozesses…) zu kennen. Diese spielen zum Beispiel bei folgenden Fragen, an denen wir arbeiten, eine Rolle: Wie läuft die Setzung des Schnees auf den polaren Eisschilden ab? Bei welchen Bedingungen greifen welche Winterreifen am besten? Wie breitet sich der Bruch beim Auslösen einer Schneebrettlawine in der Schneedecke aus? Ist es möglich, Lawinen mit akustischen Messungen in der Schneedecke vorherzusagen?
Um solche Fragen beantworten zu können, betrachten wir einerseits die Schneekristalle auf mikroskopischer Ebene und untersuchen, was bei langsamer oder schneller Verformung mit Körnern und den Verbindungen zwischen ihnen passiert.
Der folgende Film zeigt die Verdichtung einer Schneeprobe im micro-Computertomographen. Um den Prozess zu beschleunigen liegt ein Gewicht auf dem Schnee. Unter der Last des Gewichts verringert sich die Höhe der Schneeprobe innerhalb von 5 Tagen um etwa 10%. Der Schnee wird also um 10% verdichtet.
Neben den mechanischen Eigenschaften auf mikrostruktureller Ebene interessiert uns auch das Verhalten von Schnee im Block oder im ganzen Hang. Zum Beispiel untersuchen wir im Labor mit einem speziellen Scherapparat das Verhalten einer künstlichen Schwachschicht unter Belastung. Dabei zeichnen Sensoren die akustischen Signale auf, welche dem Bruch vorausgehen.
Im Feld messen wir anhand des Propagation Saw Test die kritische Bruchlänge, die für die selbständige Ausbreitung eines Bruchs notwendig ist.
Aufgrund der Experimente und Messwerte entwickeln wir Computermodelle, um diese Prozesse zu beschreiben und sie dann unter anderen Umgebungsbedingungen zu simulieren.