Wo macht eine neue Messstation Sinn?

11.10.2021  |  Roman Oester  |  News SLF

Im Schweizer Alpenraum und im Jura stehen 186 Stationen, die Schneehöhe, Temperaturen und Windgeschwindigkeit messen. Diese Daten gehören zu den wichtigsten Grundlagen, um die Schnee- und Lawinensituation beurteilen zu können. Immer wieder einmal kommen Stationen an neuen Standorten dazu, etwa wenn das Bedürfnis für zusätzliche Daten in einer bestimmten Region wächst. Doch bevor eine neue Messtation aufgebaut werden kann, sind umfangreiche Vorarbeiten nötig – wie zum Beispiel für einen neuen Standort im Valle di Vergeletto im Tessin.

Für den Lawinenwarndienst des SLF sind Daten aus dem Gelände zur Beurteilung der Schnee-, Lawinen- und Wettersituation essentiell. Zusammen mit Beobachtungen, Einschätzungen und Modellierungen helfen sie, möglichst genaue Prognosen machen zu können. Wichtige Daten dazu liefern die automatischen Stationen des IMIS-Messnetzes (siehe Info-Box), welche vom SLF im Auftrag der daran beteiligten Kantone betrieben werden.

Mehr Daten für das Valle di Vergeletto gewünscht

Für das Valle di Vergeletto – ein Seitental des Valle Onsernone – sind die Datengrundlagen jedoch recht spärlich. Das Tal ist sehr niederschlagreich und der obere Teil lawinengefährdet. Die Lawinen können sehr gross werden und bei kritischen Bedingungen den Talgrund erreichen. Deshalb wünschen sich der kantonale und lokale Lawinendienst eine bessere Datengrundlage, damit sie die Lawinengefahr genauer einschätzen und somit nötige Massnahmen für den Schutz der Bevölkerung besser planen können. Auch für MeteoSchweiz wären insbesondere Niederschlagsmessungen in diesem Gebiet interessant. Nicht zuletzt profitiert auch der nationale Lawinenwarndienst des SLF von den zusätzlichen Daten aus den Tessiner Bergen.

Nicht jeder Standort ist geeignet

Deshalb soll nun eine neue IMIS-Messstation aufgebaut werden. Dafür sind jedoch zunächst einige Vorarbeiten nötig, denn nicht jeder Standort ist geeignet. Im Hochgebirge ist die Suche danach nicht so einfach und kostenintensiv. Weil die Schneeablagerung aufgrund der Wechselwirkung zwischen Gelände und Wind grundsätzlich unregelmässig ist, müssen Schneestationen – wenn möglich – an windgeschützten, flachen Standorten stehen. Sie dürfen zudem nicht lawinengefährdet sein, um repräsentative Informationen zur Schneedecke liefern zu können. Zu Beginn haben Vertreter des Kantons Tessin sechs mögliche Standorte im Valle di Vergeletto auf der Karte ausgesucht, deren Lage das SLF auf die grundsätzliche Eignung beurteilt hat. Zur Analyse der Lawinengefährdung haben Experten des SLF die Simulationssoftware RAMMS eingesetzt und so die Sturzbahnen, Kräfte und Fliesshöhen von potenziellen Lawinen berechnet. Nach diesen eher theoretischen Arbeiten besuchten die Verantwortlichen des Kantons Tessin und des SLF das Valle di Vergeletto sowohl im Sommer als auch im Winter. So konnten sie die topographischen Verhältnisse sowie die Schneedecke direkt vor Ort begutachten und in die Evaluation einfliessen lassen.

Mit einer Drohne die Schneehöhenverteilung messen

Bereits bei der ersten Begehung im Sommer zeigte sich, dass einige Standorte nicht oder eher weniger geeignet sind für eine neue IMIS-Station. Wieder andere haben die Experten geringfügig verschieben müssen. Während der Winterbegehung nahmen sie Schneehöhenmessungen vor – sowohl manuell als auch mittels Drohne. Mit den fotogrammetrischen Daten der Drohne wurden Schneehöhenmodelle erstellt, welche die Schneehöhenverteilung an den verschiedenen Standorten fast auf den Zentimeter genau wiedergeben. Aufgrund der vorliegenden Informationen haben sich die Verantwortlichen des Kantons Tessin schliesslich für den geeignetsten Standort entschieden, an dem im Sommer 2021 eine Teststation aufgebaut wurde. Diese wird während der Wintersaison 2021/2022 Daten zum Schneehöhenverlauf sowie anderen meteorologischen Parametern (Lufttemperatur, relative Luftfeuchte, Windrichtung und Windgeschwindigkeit) sammeln. Nach der Auswertung dieser Daten kann dann entschieden werden, ob sich der Standort für eine permanente IMIS-Station eignet.

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Rot: Standorte, die während der Begehung im Sommer identifiziert wurden. Blau: Standorte, die während der Begehung im Winter ausgemessen wurden. Grauer Bereich: Gebiet, das mit der Drohne beflogen wurde. Quelle Karte: Bundesamt für Landestopografie swisstopo
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Manuell gemessene Schneehöhen im Umkreis von 20 Metern am ausgewählten Standort (Nr. 4). Die Schneeverteilung ist sehr homogen.
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Im Gegensatz dazu sind die gemessenen Schneehöhen am Standort Nr. 5 sehr unterschiedlich, was gegen diesen Standort spricht.
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Ausgewählter Standort für die Teststation im Sommer. Grosse Geländeterrassen sind grundsätzlich geeignete Standorte für Schneestationen. Foto: David Liechti, SLF
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Manuelle Schneehöhenmessungen mittles Sondierstangen im Winter am ausgewählten Standort für die Teststation. Foto: David Liechti, SLF

Das IMIS-Messnetz

Das Interkantonale Mess- und Informationssystem (IMIS) startete 1996 und umfasst aktuell 186 Messstationen. Diese befinden sich meistens oberhalb der Waldgrenze zwischen 2000 und 3000 m ü. M. Die Stationen messen rund um die Uhr und übermitteln ihre Daten stündlich ans SLF. Die meisten stehen in der Nähe von Anrissgebieten potenzieller Schadenlawinen und liefern den lokalen Sicherheitsverantwortlichen für Siedlungen und Strassen unverzichtbare Informationen, werden aber auch vom Lawinenwarndienst des SLF, für schneehydrologische Belange und in der Forschung benutzt. Zudem werden die Daten mit MeteoSchweiz und anderen Partnern ausgetauscht.

Eine Schneestation misst zum Beispiel standardmässig folgende Werte: 

  • Schneehöhe (aktuelle Werte)
  • Luft- und Oberflächentemperatur (aktuelle Werte)
  • Windgeschwindigkeit und Richtung
  • Relative Luftfeuchtigkeit
  • Reflektierte kurzwellige Strahlung
  • Temperatur am Boden
  • Schneetemperatur 25 cm, 50 cm und 100 cm über dem Boden
  • Regen (Pluviometer, bei den meisten Stationen)

Detailliertere Informationen zu den IMIS-Messtationen finden Sie hier.

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