Was haben Schnee und Erdbeben gemeinsam?

28.05.2020  | Claudia Hoffmann | News SLF

SLF-Forschende haben die Entstehung von «Mikrobeben» im Schnee untersucht, die auch eine Rolle bei der Entstehung von Lawinen spielen könnten.

Schnee ist ein Material mit sonderbaren Eigenschaften. Einerseits ist er leicht verformbar – in der Wissenschaft benutzt man den Begriff «duktil» -, was sich beim Formen eines Schneeballs ausnutzen lässt. Andererseits ist er brüchig beziehungsweise spröde: Schleudert man den Schneeball an die Wand, zerplatzt er in kleinere Teile. Ob Schnee sich duktil oder spröde verhält, hängt davon ab, mit welcher Geschwindigkeit eine Kraft auf ihn einwirkt.

Zwischen den beiden beschriebenen Zuständen gibt es allerdings noch einen dritten, den nun Forschende des SLF genauer unter die Lupe genommen haben. Drückt man einen Schneeball mit einer bestimmten Geschwindigkeit (Verformungsrate) zusammen, passiert etwas, das die Forschenden «Mikrobeben» nennen. Der Ball wird deformiert, es bilden sich winzige Risse im Schnee, weil Verbindungen zwischen Eiskristallen brechen.

Doch noch bricht der Schneeball nicht auseinander. Grund dafür ist eine Art Reparaturprozess, der sich in Sekundenbruchteilen abspielt: Zwischen den Schneekristallen bilden sich neue Verbindungen, die den Riss «heilen». Dieser Prozess von Rissbildung und -heilung wiederholt sich periodisch. Das machten die Forschenden mit Hilfe eines Kraftsensors sichtbar: Bei jedem (unsichtbaren) Riss lässt die Kraft im Schneeball nach, baut sich aber sofort wieder auf. Schliesslich wird der Druck zu gross und der Schneeball zerbricht.

Und was hat das jetzt mit Erdbeben zu tun? Auch bei diesen wiederholen sich Zyklen von Kraftaufbau und Entspannung in einer Art und Weise, die man als Haftgleiteffekt (stick-slip effect) bezeichnet: Bewegen sich zwei Platten des Erdmantels gegeneinander und verhaken sich (haften), baut sich eine grosse Spannung auf, das Gestein wird verformt. Irgendwann lösen sich die Platten mit einem Ruck (gleiten), die Spannung lässt nach und alles beginnt von vorn.

In Anlehnung an die Beschreibung von Erdbeben haben die SLF-Forschenden ein mathematisches Haftgleit-Modell für Mikrobeben im Schnee entwickelt. Es hilft, den Übergang von duktil zu spröde im Bruchverhalten besser zu verstehen, der unter anderem eine Rolle bei der Entstehung von Lawinen spielt.

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