Schön und gefährlich: Wie Wechten entstehen

21.03.2023  |  Jochen Bettzieche |  News SLF

Als Fotomotiv sind sie begehrt, aber sie sind tückisch. Denn die Schneegebilde können brechen und Wandernde, Bergsteigerinnen und Skitourengeher mit in die Tiefe reissen. Gelegentlich lösen sie auch Lawinen aus. Um die Gefahren besser einschätzen zu können, haben Forschende am SLF im Labor untersucht, unter welchen Bedingungen Wechten entstehen.

«Wechten entstehen am ehesten bei mittleren Windgeschwindigkeiten», hat Hongxiang Yu herausgefunden. Sie ist Ingenieurin am SLF sowie bei den Kooperationspartnern bei diesem Projekt, der chinesischen Lanzhou-Universität und dem EPFL-Labor für Kryosphären-Wissenschaften CRYOS in Lausanne. Weht zu wenig Wind, lagert sich der Schnee gleichmässiger im Gelände ab. Bläst der Wind zu stark, trägt er den Schnee weit über das Hindernis hinweg. Denn Wechten benötigen einen Grat, an dem sie sich bilden. Dort entstehen sie an der windabgewandten, in der Regel steileren Seite.

So einen Grat modellierten Yu und ihre Kollegen aus Schnee und stellten ihn in den Windkanal. Die institutseigene Schnee-Maschine «Snowmaker» lieferte die erforderlichen Schneekristalle. Diese zirkulierten im ringförmigen Kanal bei unterschiedlichen Windgeschwindigkeiten.

Die Bedingungen sind nah an der Realität. Der Kanal steht im Kältelabor des SLF und Benjamin Walter, Schneephysiker am SLF, trägt einen blau-gelben Thermoanzug zum Schutz vor den niedrigen Temperaturen. Durch ein Schauglas beobachtet er, was geschieht. Schneekristalle flitzen vorbei, drehen Runde für Runde. Bei der richtigen Geschwindigkeit entsteht langsam eine Wechte am Modell-Grat. Die Ergebnisse bestätigen, was Forschende bislang nur in der Natur beobachtet haben, sagt Walter: «Das hilft uns, künftig vorherzusagen, wann und wo sich Wechten bilden und wann sie wieder kollabieren.»

Auch die Lawinengefahr einzuschätzen, wird dadurch einfacher. So sind Wechten in manchen Regionen Spitzbergens Ursache für rund 45 Prozent aller Lawinen. «Solche durch Wechtenabbruch ausgelöste Lawinen bedrohen lokale Infrastruktur und Menschenleben», erklärt Yu. Bislang hätten sich aber erst wenige Wissenschafter damit beschäftigt, wie die Gebilde wachsen. Das lag auch daran, dass es oft Tage oder gar Wochen dauert, während denen die Wechte entsteht, bei sich ständig ändernden Bedingungen.

Die an der Studie beteiligten beschlossen daher, den Prozess ins SLF-Labor zu holen. Und Walter hat schon Ideen, wie er auf Basis der Ergebnisse weiterforschen wird. «Als einer der wichtigsten meteorologischen Faktoren beeinflusst auch die Temperatur, wie sich Wechten bilden», erwartet er. Ansätze wären daher, bei konstanter Windgeschwindigkeit die Temperatur zu variieren und zu verschiedenen Temperaturen die jeweils ideale Windgeschwindigkeit für den Aufbau einer Wechte herauszufinden. Eine weitere Möglichkeit ist, mit dem Hindernis zu spielen, sagt Walter: «Die Form des Grat-Modells sollte ein weiterer, kritischer Faktor sein.»

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Wechte am Fletschhorn (Foto: Matthias Jaggi / SLF)
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Wechte mit Wechtenabbruch bei Zinal (Foto: Jürg Schweizer / SLF)
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Skitourengeher und Wechte am Monsteiner Büelenhorn. (Foto: Marcia Phillips / SLF)
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Wechte am Glattwang (Foto: Jürg Schweizer / SLF)

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