Wegen des Klimawandels verändert sich die Lawinenaktivität. Nassschneelawinen sind früher und häufiger zu erwarten, Instabilitäten in der trockener Schneedecke werden seltener. Unerwartete Wetterwechsel, wie Regen im Hochwinter, macht die Arbeit von Lawinenwarndiensten und Rettungskräften auch in Zukunft herausfordernd, nicht nur im freien Gelände sondern auch in den Skigebieten.
Weniger Schnee bedeutet nicht weniger Lawinen. SLF-Forschende haben untersucht, welche Folgen der Klimawandel auf die Lawinenaktivität in der Schweiz oberhalb von 1800 Metern über dem Meeresspiegel haben wird. Die Zahl der trockenen Lawinen wird zwar abnehmen, aber je nach Klimaszenario nimmt die Zahl der Nassschneelawinen gleichzeitig zu, auch während der touristischen Hochsaison. Ein Effekt, der in den kommenden Jahrzehnten erst wenig, bis zum Ende des Jahrhunderts aber immer deutlicher zu Tage treten wird. Nassschneelawinen können Lawinensicherheitsdienste aber kaum künstlich auslösen. Als Gegenmassnahme hilft im Ernstfall dann nur, gefährdete Bereiche eines Skigebiets vorübergehend zu schliessen. Zudem ist es für Lawinenwarndienste schwieriger, die Lage zu beurteilen, wenn der Schnee nass ist als bei trockenen Verhältnissen.
Die gute Nachricht: Lawinen dürften künftig Tallagen seltener erreichen. Ausserdem werden bei wärmeren Temperaturen immer weniger Schwachschichten in der Schneedecke entstehen. Freizeitsportler werden daher seltener Lawinen auslösen. Zudem sollten sie sich verstärkt mit dem Thema Nassschneelawinen auseinandersetzen, da diese im Hochwinter häufiger werden.
Um ein differenzierteres Bild über die Folgen des Klimawandels auf die Lawinenlage zu erhalten, haben Forschende des SLF erstmals detailliert die Schneedecke und das Fliessverhalten des Schnees für verschiedene Klimaszenarien simuliert. Das erlaubt ihnen abzuschätzen, wie stabil die Schneedecke je nach Szenario sein wird, welche Reichweite Lawinen haben und welchen Druck sie ausüben werden.
Langfristig, gegen Ende des 21. Jahrhunderts, geht die Gefahr durch die Schneemassen im Mittel auf jeden Fall zurück, prognostizieren Forschende des SLF. Während sich mittlere Trends mit Hilfe der aktuellen Klimaszenarien abschätzen lassen, ist es ungewiss, ob und wie intensiv in Zukunft ausserordentliche Wetterlagen mit Starkschneefällen auftreten werden. Es sind diese eher extremen Situationen, die zu intensiver und im Alpenraum verbreiteter Lawinenaktivität führen. Denn sehr grosse Lawinen, die bis in Tallagen vorstossen, sind das Resultat intensiver Niederschläge in wenigen Tagen aufgrund einer speziellen Wettersituation. Dazu gibt es aktuell keine verlässlichen Projektionen. Denn derzeit bilden Klimaszenarien solche Extremwetterlagen nur ungenügend ab. Kurzfristig, in den kommenden Dekaden, könnte jedoch die Gefahr in der Höhe zunehmen. Während tiefere Lagen sicherer werden, sorgen intensivere Niederschläge in hohen Lagen für mehr Schnee, so dass grössere Lawinen, die mehr Druck ausüben, zu erwarten sind.
In der Praxis wird das auch für Infrastruktur in exponierten Lagen relevant, beispielsweise die Hütten des Schweizer Alpen-Clubs SAC. Gemäss einer SLF-Studie bedrohen Lawinen 66 der 153 Hütten. Bei einigen steigt die Gefahr durch den Klimawandel, bei andern geht sie zurück. Geht beispielsweise ein Gletscher zurück, kann das Anrissgebiet für Lawinen grösser werden. Gleichzeitig kann das aber auch bedeuten, dass Lawinen künftig mehr Auslauf haben und bislang gefährdete Gebäude nicht mehr erreichen. Keine Schnee- sondern eine Eislawine bedroht hingegen die Fridolinshütte des SAC am Tödi. Sollte der heute angefrorene Gletscher hoch oberhalb der Hütte durch den Klimawandel instabil werden, könnten mehrere Millionen Kubikmeter Eis ins Tal donnern.
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