Jungvögel leiden unter Temperaturextremen

Weil die Temperaturen im Zuge des Klimawandels steigen, nisten viele Singvögel früher im Frühjahr. Für die Nestlinge bedeutet dies jedoch ein höheres Risiko von Temperaturschwankungen in Form von Kälteeinbrüchen und Hitzewellen. Solche Extreme führen zu mehr Nestausfällen. Dies zeigt eine Studie mit Beteiligung der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, die soeben in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht wurde.

«Wenn wir über Temperaturveränderungen sprechen, konzentrieren wir uns meist auf Durchschnittswerte», sagt Conor Taff von der Cornell University, der die Studie gemeinsam mit Ryan Shipley von der WSL verfasst hat. «Aber Lebewesen sind den Wetterbedingungen im Moment ausgesetzt, nicht langfristigen Durchschnittswerten. Selbst eine ein- oder zweitägige Periode, in der es sehr kalt oder sehr heiss ist, kann eine unglaubliche Herausforderung darstellen, selbst wenn sich die Durchschnittstemperatur nicht verändert hat. Sich ändernde durchschnittliche Temperaturen und Temperaturschwankungen sind zwei verschiedene Komponenten des Klimawandels.»

Um zu verstehen, wie sich Temperaturschwankungen auf den Bruterfolg auswirken könnten, analysierten die Forscher 300’000 Brutvogelaufzeichnungen in den USA und Kanada zwischen 1995 und 2020. Sie ermittelten für jedes Nest den kältesten und den wärmsten dreitägigen Zeitraum und untersuchten dann, ob diese Werte einen geringeren Bruterfolg voraussagten. Der Erfolg wurde daran gemessen, wie viele Nestlinge überlebten und flügge wurden.

Von Insekten als Futter abhängig

«Wir haben festgestellt, dass 16 der 24 untersuchten Arten einen geringeren Fortpflanzungserfolg hatten, wenn ein Kälteeinbruch während der Brutzeit oder des Nestlingsstadiums auftrat», so Taff. «Bei elf von 24 Arten war der Erfolg geringer, wenn während der Brutzeit eine Hitzewelle auftrat. Flugjäger, die Insekten im Flug fangen, reagierten am empfindlichsten auf Temperaturextreme, insbesondere auf Kälte.»

Die überwiegende Mehrheit der Vögel füttert ihre Jungen mit Insekten, unabhängig von deren späterer Ernährung, und Kälteeinbrüche verringern die Verfügbarkeit von Insekten. Wenn diese Episoden zu einem Zeitpunkt auftreten, an dem die Nestlinge besonders gefährdet sind, können sie ein Massensterben auslösen. Während eines Kälteeinbruchs ziehen erwachsene Vögel möglicherweise weg, um günstigere Lebensbedingungen zu finden, wodurch Eier und Nestlinge der Kälte und dem Nahrungsmangel ausgesetzt sind.

«Es sind die Nestlinge, die es besonders hart trifft, weil sie ihre Körpertemperatur noch nicht selbst regulieren können», sagt Ryan Shipley von der SLF-Forschungsgruppe Gebirgsökosysteme. «Zudem wachsen Nestlinge in den ersten ein bis zwei Lebenswochen exponentiell, und wenn die Insektenaktivität wegen eines Kälteeinbruchs abnimmt, werden die Jungvögel wahrscheinlich nicht überleben.»

Taff und Shipley untersuchten auch 100 Jahre Wetterdaten, um festzustellen, ob sich der Zeitpunkt von Kälteeinbrüchen und Hitzewellen während der Brutzeit von März bis August in den Vereinigten Staaten und Kanada verändert hat. Obwohl sie kein klares Muster im zeitlichen Ablauf der Temperaturextreme fanden, stellen sie fest, dass es überall wärmer wird.

«Selbst wenn es den Nestlingen gelingt, einen Kälteeinbruch oder eine Hitzewelle zu überleben, kann dies langfristige Folgen für die allgemeine Gesundheit der Vögel haben», so Shipley. «Wir untersuchten nur eine kurze Momentaufnahme während der frühen Lebensphase und können die langfristige Gesundheit in einer ungebundenen Wildpopulation nicht messen.»

Frühere Studien dieser Autoren über Sumpfschwalben haben gezeigt, dass die Temperatur während der Entwicklung wichtig ist, da sie direkt mit der Wachstumsrate der Nestlinge und ihrer Körpermasse beim Schlüpfen zusammenhängt. Dies wiederum hat Einfluss darauf, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie überleben, die Migration überstehen und im folgenden Jahr zum Brüten zurückkehren. Daher können Veränderungen der Variabilität und des Zeitpunkts von Temperaturextremen und Verschiebungen in der Brutzeit zusammengenommen lebensbedrohliche Folgen für Individuen und für Vogelpopulationen nach sich ziehen.

 

Originaltext: Cornell University

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