Das Undenkbare erforschen

Trockenheit, Starkregen, Hitzewellen: Klimabedingte Extreme brechen immer öfter alle Rekorde. Wie kann sich die Schweiz auf Notlagen vorbereiten, die so noch nie dagewesen sind? Das erkundeten Forschende in Zusammenarbeit mit Fachleuten aus der Praxis während fünf Jahren im WSL-Forschungsprogramm Extremes. Im «Forum für Wissen», im dazugehörigen Tagungsbericht und einer Web-App stellen sie ihre Resultate vor.

  • Klimabedingte Extremereignisse wie Trockenheit, Hitzewellen, Starkregen oder Stürme werden in Zukunft häufiger und intensiver (IPCC 2023).
  • Im Forschungsprogramm Extremes haben WSL-Forschende Modelle entwickelt und Vorhersagen verfeinert, um die Auswirkungen von Wetterextremen besser abschätzen zu können.
  • Deren Folgen lassen sich mindern, wenn Forschung, Verwaltung und Praxis im Vorfeld Strategien entwickeln und entsprechende Massnahmen treffen.

Der Mensch lernt wesentlich aus Erfahrungen. Das geht aber bei Extremereignissen schlecht, denn sie sind per Definition selten, unangekündigt und folgenschwer. Wie bereitet man sich also auf das Undenkbare vor? Das hat die Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL von 2020 bis 2025 im Forschungsprogramm Extremes untersucht. Fünf Projektteams erarbeiteten in Zusammenarbeit mit Partnern und Partnerinnen aus der Praxis Lösungsansätze für den Umgang mit zukünftigen Extremereignissen. Einige davon haben sie am Forum für Wissen 2025 und im zugehörigen Tagungsbericht vorgestellt.

Hilfsmittel für die Schweiz

In unserem Land hält Permafrost, also dauerhaft gefrorener Boden, das Gestein auf den höchsten Bergen zusammen. Im Rahmen von Extremes haben WSL-Expertinnen die Folgen des im Klimawandel tauenden Permafrosts untersucht, beispielsweise steigende Risiken für Felsstürze und Murgänge sowie die Freisetzung von Schadstoffen (Projekt ExtremeThaw).

An den Berghängen schützen oft dichte Wälder Menschen und Infrastrukturen vor Lawinen und Steinschlag. In einem weiteren Projekt entwickelten Forschende zusammen mit Forstfachleuten Entscheidungshilfen für die Forstbranche, um solche Schutzwälder mit Blick auf den Klimawandel gezielt so zu bewirtschaften, dass die Schutzfunktion auch in Zukunft erhalten bleibt (Projekt MountEx). Denn vielerorts schwächen Hitze, Trockenheit und Borkenkäfer zunehmend die Bergwälder, zudem wachsen nicht überall genügend junge Bäume nach, um die Schutzwirkung langfristig zu garantieren.

Wer handelt, wer zahlt?

Im Katastrophenfall leisten häufig Versicherungen erste finanzielle Hilfe. Werden langanhaltende und teure Ereignisse wie extreme Trockenphasen häufiger, stossen traditionelle Versicherungsmodelle an ihre Grenzen. Also setzten sich die Extremes-Forschenden mit Personen aus Versicherungen und Behörden an einen Tisch, um zu klären, welche Informationen und Vorgehen zur Bewältigung von Trockenheit erforderlich sind. Eine Initiative von Extremes bezog den Bevölkerungsschutz mit ein: Im November 2024 organisierte die Projektleitung gemeinsam mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS und dem Center for Security Studies CSS der ETH Zürich im Hörsaal der WSL eine Trockenheitsübung (Tabletop-Übung). Dabei spielten Fachleute, die im Katastrophenfall zum Einsatz kommen, wie Polizei, Feuerwehr oder Kantonale Führungsstäbe, eine anderthalb Jahre dauernde Trockenheit durch. Ziel war es zu prüfen, wie gut diese Institutionen auf so eine Situation reagieren könnten und wo Anpassungen nötig sind.

Dabei hilft es, wenn es eine frühzeitige Warnung vor sich anbahnendem Extremwetter gibt. Im Gegensatz zu Gewitter-Starkregen künden sich langanhaltende Klimaphänomene wie Trockenheit mit mehr Vorlaufzeit an. Dies ermöglicht mit Prognosemodellen eine Trockenheitswarnung bis zu 30 Tage im Voraus, wie sie die WSL bereits seit mehreren Jahren experimentell betreibt. Der Bund schaltet dieses Jahr eine Trockenheitsplattform auf, die auf den WSL-Modellen basiert. Im Rahmen von Extremes ergänzten die Forschenden die 30-Tage-Vorhersagen noch um Borkenkäferausbreitung, Waldbrandrisiko, Gewässertemperaturen und Grundwasserstände (Projekt Malefix).

Im Trockensommer 2018 waren Buchen im Kanton Schaffhausen schon im August braun (links), im Jahr 2019 teilweise abgestorben (rechts)  (Fotos: Ueli Wasem, WSL)

Szenarien für die Zukunft

Weltweit nehmen extreme Stürme, Hochwasser, Dürren und Waldbrände aufgrund des Klimawandels zu. So leidet die Gebirgsregion in Nordchile seit Jahren unter extremem Regenmangel, grosse Flächen Landwirtschaftsland mussten aufgegeben werden. Solche in der Schweiz nie dagewesenen Ereignisse können dabei helfen, die möglichen Auswirkungen extremer Trockenheit auf unser Alpenland abzuschätzen. Ein Projektteam der WSL hat Mega-Dürren rund um die Welt charakterisiert, um deren Entwicklung besser zu verstehen und mögliche Dürre-Szenarien für die Schweiz zu beschreiben (Projekt EMERGE, News zu Megadürren).

Im Alpenraum, wo die Erwärmung doppelt so hoch ist wie im globalen Durchschnitt, sind die Folgen der Klimaerwärmung nicht mehr zu übersehen. Die Trockenheit von 2003 dauerte von Mitte April bis Ende August, in den Trockenjahren 2018 bis 2020 war das Buchenlaub teilweise schon im Juli herbstlich braun gefärbt. Die Forschung der WSL trägt dazu bei, dass die Menschen auch auf unvorhersehbare – oder gar undenkbare – klimatische Situationen vorbereitet sind.

Publikationen

Bericht erscheint am 3. April. Das Forum Wissen ist eine Veranstaltung der Eidg. Forschungsanstalt WSL. Aktuelle Themen aus den Arbeitsgebieten der Forschungsanstalt werden vorgestellt und diskutiert. Zu jedem Forum für Wissen erscheint ein Tagungsband mit den Beiträgen der Referentinnen und Referenten.

WSL Berichte 1642025
Verfügbare Sprachen: Deutsch

In der WebApp zeigen Klimaszenarien auf, wie sich das Klima im Durchschnitt entwickeln könnte. Doch der Durchschnitt bildet die Realität nur selten ab. Es sind die extremen Ereignisse – deutlich über oder unter diesem Durchschnitt – die unvorhersehbare und teils unumkehrbare Folgen für die Umwelt und Gesellschaft mit sich bringen.

2025
Verfügbare Sprachen: Deutsch

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