Viel Neuschnee auf schwache Schneedecke = viele Lawinen ¶
Endlich kam er auch im Süden, der lang ersehnte Schnee. In mehreren Phasen fielen vom Samstagabend, 25.01. bis am Mittwochmorgen, 29.01. verbreitet etwa 50 cm Schnee, im Westen und vom Lukmanierpass bis zur Bernina sogar über 1 m. Im Tessin und in Graubünden fiel dieser Schnee auf eine dünne, aber ausgesprochen schwache Schneedecke. Das Resultat war eine sehr hohe Lawinenaktivität bei Gefahrenstufe 4 (gross).
Wetter ¶
Von Samstagabend bis Mittwochmorgen fiel in mehreren Schüben Schnee. Die grössten Neuschneemengen wurden im westlichsten und nördlichen Unterwallis sowie am Alpenhauptkamm vom Lukmanier- bis zum Berninapass und südlich davon gemessen. Aber auch im Rest der Schweizer Alpen und im Jura schneite es. Die Schneefallgrenze schwankte stark. Während der Hauptniederschläge zwischen Montagmorgen, 27.01. und Dienstagnachmittag, 28.01. lag sie teils auf über 2200 m, am Schluss auf 800 m. Mit meist mässigem bis starkem Südwestwind wurde der viele Neuschnee verfrachtet.
Neuschnee oberhalb 2000 m während der zwei Hauptniederschlagsevents:
- Samstag- bis Sonntagmittag: Alpenhauptkamm vom Lukmanier bis ins Berninagebiet und südlich davon 30 bis 50 cm; übriges Tessin und Mittelbünden 15 bis 30 cm
- Montag- bis Mittwochmorgen: ganz im Westen 70 bis 100 cm; Alpenhauptkamm vom Lukmanier bis ins Berninagebiet und südlich davon bis 70 cm; sonst verbreitet 40 bis 60 cm
Insgesamt fielen innerhalb von 4 Tagen am Alpenhauptkamm vom Lukmanier- bis zum Berninapass und südlich davon sowie im westlichsten und nördlichen Unterwallis 90 bis 120 cm, in den angrenzende Gebieten 60 bis 100 cm, sonst verbreitet 40 bis 70 cm (Abb. 1). Im Jura regnete es zuerst, gegen Ende der Niederschlagsphase fielen 20 bis 30 cm Schnee.
Schneedecke ¶
Vor den Schneefällen lag in hohen Lagen nur im Unterwallis so viel Schnee wie zu dieser Jahreszeit üblich; sonst waren die Schneehöhen unterdurchschnittlich.
Im Süden, den inneralpinen Gebieten Graubündens und im Engadin war die Schneedecke nur halb so dick wie üblich. Der wenige Schnee war aufbauend umgewandelt, d.h. er bestand aus grossen, kantigen Kristallen oder sogar aus Becherkristallen. Er war damit eine ausgesprochen schwache Unteralge für den darauf abgelagerten Neu- und Triebschnee. Nördlich einer Linie Rhone – Rhein waren vor allem Schwachschichten im oberen Teil der Schneedecke vorhanden, und diese waren weniger ausgeprägt.
Lawinen ¶
Bereits in der ersten Schneefallperiode vom Sonntag, 25.01. wurde die Lawinengefahr vom Tessin bis zur Bernina mit Stufe 3 (erheblich) eingeschätzt. Die vielen spontanen Lawinen (Abb. 2) zeigten, dass diese Prognose trotz lediglich 30 bis 40 cm Neuschnee nicht übertrieben war. Die Zwischenstufe 3+ war vom Bergell bis zur Bernina prognostiziert, wurde rückblickend gesehen aber wohl auch in den angrenzenden Gebieten erreicht.
Mit den weiteren Schneefällen stieg die Lawinengefahr auf Dienstag, 28.01. im Tessin und in den südlichen Teilen Graubündens sowie in Teilen des Unterwallis auf Stufe 4, gross (siehe Gefahrenkarten am Ende des AvaBlogs). Auch wenn bis zum Redaktionsschluss noch längst nicht alle Lawinen gemeldet wurden, zeigt sich schon jetzt, dass die Lawinenaktivität hoch war (Abb. 3). Dies galt ganz besonders für die Gebiete mit einer schwachen Altschneedecke im südlichen Graubünden (Abb. 4 und 5). Aber auch im westlichsten und nördlichen Unterwallis genügten die grossen Neuschneemengen zusammen mit dem starken Wind für sehr grosse, spontane Lawinen, auch wenn dort die Schneedecke deutlich günstiger war (Abb. 6).
Auch in den übrigen Gebieten der Schweizer Alpen fiel etwa ein halber Meter Schnee. Auch hier waren Lawinenauslösungen im Altschnee möglich, aber meist in den weniger ausgeprägten Schwachschichten im oberen Teil der Schneedecke (Abb. 7 und Bildgalerie).
Obwohl in der Nacht auf Mittwoch, 29.01. im Westen noch etwa 20 cm Schnee fielen, wurde dort die Gefahrenstufe von gross (4-) auf 3+ (erheblich plus) heruntergestuft. Vom östlichen Tessin bis ins Engadin wurde die Gefahrenstufe gross (4-) dagegen noch beibehalten. Spontane, sehr grosse Lawinen wurden zwar nicht mehr erwartet, für Wintersport abseits gesicherter Pisten wurde die Situation aber als äusserst gefährlich betrachtet (Abb. 8 und 9).
Lawinenunfälle ¶
In der Berichtsperiode wurden dem SLF bis zum Redaktionsschluss 9 Schadenslawinen aus dem Touren- und Variantengelände gemeldet mit insgesamt 12 erfassten Personen, wovon zwei ganz verschüttet wurden. Eine Person verstarb, eine wurde verletzt.
Zudem wurden am Sonntag, 26.01. am Silsersee (Bregaglia, GR) zwei Personen auf einer Loipe/Winterweg von einer Lawine erfasst. Eine Person wurde dabei ganz verschüttet, konnte aber zum Glück rasch gerettet werden.
Ausblick ¶
Es darf davon ausgegangen werden, dass sich die Lawinensituation in den neuschneereichen Gebieten ganz im Westen rasch stabilisiert. Südlich einer Linie Rhone – Rhein wird uns das Altschneeproblem aber noch längere Zeit beschäftigen.
Gefahrenentwicklung
Lawinenbulletins dieser Zeitperiode im Überblick.