Schneechaos im Wallis, grosse Lawinengefahr im Westen und Süden

Eine Gegenstromlage brachte im Süden und Westen ausserordentlich hohe Niederschlagsmengen, im Wallis als Schnee bis in tiefe Lagen. Die Niederschläge waren sehr intensiv und die Lawinengefahr stieg im Westen verbreitet auf gross (Stufe 4) an. Vor allem im Wallis verursachte der Schnee grosse Probleme: umgestürzte Bäume trafen Strom- und Fahrleitungen und so gab es etliche Stromausfälle und viele Verkehrsachsen mussten geschlossen werden. Sehr grosse Tallawinen gingen auch nieder, erreichten aber keine Strassen oder Siedlungsgebiete.

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Saas Fee versinkt im Schnee. Tief winterliches Bild von der Webcam am Donnerstagnachmittag, 17. April. Es war das letzte Bild dieser Kamera, die anschliessend offline war, vermutlich aufgrund der Stromausfälle (Foto: Webcam, 17.04.2025).

Wetterentwicklung, Modelle und Warnungen, Schneefallgrenze

Die ausserordentlichen Niederschlagsmengen wurden durch eine Gegenstromlage verursacht. Aus Süden wurde Warmluft mit sehr viel Feuchtigkeit an die Alpensüdseite transportiert, während aus Nordwesten auf der Alpennordseite kühlere Luft in den unteren Luftschichten einfloss. Das Aufgleiten der warmen Luft am Alpensüdhang und über die Kaltluft verursachte sehr intensive Niederschläge, welche in den Wettermodellen bereits ab Sonntag gut vorhergesagt wurden (Abbildung 1). Die Sicherheitsdienste wurden am Montag von SLF und MeteoSchweiz mit einer Vorinformation Starkschneefälle über die intensiven Niederschläge und den Anstieg der Lawinengefahr informiert. Am Dienstag wurde eine Vorwarnung Schnee und Lawinengefahr mit einer 10 bis 40 % Wahrscheinlichkeit für Stufe 5 (sehr grosse Lawinengefahr) für die Hauptniederschlagsgebiete herausgegeben. Diese wurde am Mittwoch auf eine Wahrscheinlichkeit von 40 bis 70 % hochgestuft.

Schwieriger war die Vorhersage der Schneefallgrenze. Im Nordwesten wurde ein rasches Absinken der Schneefallgrenze mit der Kaltluft erwartet, während auf der Alpensüdseite die Schneefallgrenze hoch blieb. Aber besonders in den Hauptniederschlagsgebieten im südlichen Oberwallis war lange nicht klar, ob und wie rasch die Schneefallgrenze absinkt.

In der Nacht auf Donnerstag, 17. April sank dann die Schneefallgrenze im ganzen Wallis und am westlichen Alpennordhang rasch ab, oft bis in tiefe Lagen (Abbildung 2).

Neuschnee- und Niederschlagsmengen

Die intensivste Phase vom Niederschlag war von Dienstagabend, 15. April bis Donnerstagmittag, 17. April. Insgesamt wurden oberhalb von rund 2200 m folgende Schneemengen registriert (vgl. Abbildung 3):

  • Oberwallis und nördlich angrenzendes Berner Oberland: 150 bis 180 cm, vom Saastal über das Simplongebiet bis ins Binntal bis über 200 cm
  • Unterwallis, übriger westlicher Alpennordhang, westliches Gotthardgebiet, Bedretto, Maggiatäler: 70 bis 150 cm
  • Weiter im Osten: meist weniger als 30 cm, ganz im Nordosten meist trocken  

Während die Niederschlagsmengen im Westen mit der tieferen Schneefallgrenze mit den Neuschneesummen gut dargestellt werden können, sind sie auf der Alpensüdseite, wo die Schneefallgrenze anhaltend auf 2200 bis 2400 m lag, in der obigen Darstellung kaum ersichtlich. Ein besseres Bild ergibt dabei die Niederschlagssumme im Radarbild (Abbildung 4).

Lawinengefahr und Lawinenaktivität

Die Lawinengefahr wurde am Mittwoch, 16. April in den Hauptniederschlagsgebieten von Zermatt über das Simplongebiet bis ins Binntal mit Stufe 4 (gross) eingeschätzt. Am Donnerstag wurde grossflächig im Westen grosse Lawinengefahr prognostiziert, die bis am Freitag anhielt (Archiv Lawinenbulletins). Für die intensivste Niederschlagsphase vom Mittwochabend bis Donnerstagmittag diskutierte der Lawinenwarndienst, ob die Stufe 5 (sehr gross) herausgegeben werden sollte oder nicht. Dabei wurden folgende Faktoren diskutiert (wobei sich das vor allem auf die Hauptniederschlagsgebiete bezieht).

Intensität und Neuschneemengen

Die Niederschlagsintensität und –mengen waren ausserordentlich hoch. Die dadurch verursachte schnelle Belastung der Altschneedecke sowie die grossen zusätzlichen Schneemengen hätten für eine Stufe 5 gesprochen.

Wind und Schneeverfrachtung

Starker Südostwind verfrachtete den Schnee und so entstanden insbesondere in Nordhängen umfangreiche Triebschneeansammlungen. Auch das wäre ein weiteres Argument für Stufe 5 gewesen.

Schneedeckenstabilität

Der Einfluss der Stabilität der bereits vorhandenen Schneedecke ist bei Grossschneefällen sehr schwierig zu beurteilen. Sind Schwachschichten in der Schneedecke vorhanden, ist mit Brüchen in der Altschneedecke zu rechnen, dadurch werden die Lawinen grösser. Ist die Schneedecke aber sehr schwach, brechen Lawinen bereits früh während des Niederschlagsereignisses und damit bei kleineren Zusatzlasten durch den Neuschnee an. Damit werden die Lawinen nicht so gross, wie wenn sich die gesamte Neuschneemenge eines Starkschneefalles zuerst akkumuliert und sich erst gegen Ende des Niederschlages als Lawine löst.

Die Stabilität der Schneedecke wurde in Nordhängen im südlichen Wallis als schwach bis mittel eingeschätzt. Es wurde daher mit frühen Altschneebrüchen gerechnet. Allerdings wurde aufgrund der Unsicherheiten dieser Faktor weniger stark gewichtet.

Schneelage und Lawinenauslaufzonen

Das entscheidende Argument gegen die Stufe 5 war in diesem Fall die sehr dürftige Schneelage allgemein, und besonders in mittleren Höhenlagen. Die Auslaufzonen der typischen Lawinenzüge waren bereits zu einem grossen Teil ausgeapert. So wurde eingeschätzt, dass die Lawinen keine ausserordentlichen Ausmasse annehmen dürften.

Schneefallgrenze

Hier lag viel Unsicherheit in der Beurteilung. Der Lawinenwarndienst rechnete in der Prognose vor allem in den Hauptniederschlagsgebieten mit einer höheren Schneefallgrenze. Durch das raschere Absinken der Schneefallgrenze wurde im Wallis auch in mittleren Lagen beträchtliche Schneemengen verzeichnet, welche in den Sturzbahnen von grossen Lawinen mitgerissen wurden.

Eine vertiefte Verifikation des Ereignisses konnte zum Herausgabezeitpunkt von diesem AvaBlog noch nicht gemacht werden, da das Bild der Lawinenaktivität noch nicht komplett war. Gerade aus den Vispertälern waren aber noch wenig Rückmeldungen vorhanden, da die zuständigen Sicherheitsdienste insbesondere in diesen Gebieten mit anderen Problemen beschäftigt und teils auch von der Aussenwelt abgeschnitten waren (Stromausfälle, blockierte und gesperrte Verkehrswege).

Ein erster Eindruck liess aber vermuten, dass die Lawinengefahrenstufe 4 (gross) zutraf. Es wurden zahlreiche grosse Lawinen und einige sehr grosse Lawinen gemeldet und die Lawinendetektionssysteme zeigten in der Hauptphase vom Niederschlag viele Abgänge. Am grossen St. Bernhard traf eine Lawine die Galerie der Strasse und führte zu Schäden. Weitere Lawinen mit Schäden oder extrem grosse Lawinen waren bis zur Ausgabe dieses AvaBlogs nicht bekannt (Abbildung 5).

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Abb. 5a: Lawinenaktivität für Mittwoch, 16. April (Beobachter, Detektionssysteme). Dargestellt sind ein gebietsweise zusammengefasster Lawinenaktivitätsindex (Grösse der Kreise), die Höhenlage des Anrisses, die Auslöseart und die Lawinenfeuchte (Farbe). Die Lawinen am Mittwoch waren mehrheitlich nass.

Wie aussergewöhnlich war der Schneefall (klimatologische Einordnung)?

Erste Einschätzungen und Vergleiche von 3-Tages-Neuschneesummen sowie Schneehöhenzunahmen innerhalb von 3 Tagen zeigten im Gebiet vom Oberwallis und Berner Oberland eine Jährlichkeit von rund 15 bis 20 Jahren.  

Mit dem Absinken der Schneefallgrenze im Westen wurden am Donnerstagmorgen, 17. April überraschend grosse Neuschneemengen gemessen. So wurden in Bourg-St-Pierre (VS, 1670 m) 82 cm gemessen, was für die 75-jährige Messreihe ein neuer Rekord bedeutet. In Les Ruinettes (VS, 2200 m) im Skigebiet von Verbier wurde der bisherige Rekord von 75 cm egalisiert und an der Station Adelboden (BE, 1325 m) bedeuten die gemessenen 52 cm einen neuen April-Rekord (vgl. Abbildung 6).

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