Die Lawinengefahr wurde am Mittwoch, 16. April in den Hauptniederschlagsgebieten von Zermatt über das Simplongebiet bis ins Binntal mit Stufe 4 (gross) eingeschätzt. Am Donnerstag wurde grossflächig im Westen grosse Lawinengefahr prognostiziert, die bis am Freitag anhielt (Archiv Lawinenbulletins). Für die intensivste Niederschlagsphase vom Mittwochabend bis Donnerstagmittag diskutierte der Lawinenwarndienst, ob die Stufe 5 (sehr gross) herausgegeben werden sollte oder nicht. Dabei wurden folgende Faktoren diskutiert (wobei sich das vor allem auf die Hauptniederschlagsgebiete bezieht).
Intensität und Neuschneemengen
Die Niederschlagsintensität und –mengen waren ausserordentlich hoch. Die dadurch verursachte schnelle Belastung der Altschneedecke sowie die grossen zusätzlichen Schneemengen hätten für eine Stufe 5 gesprochen.
Wind und Schneeverfrachtung
Starker Südostwind verfrachtete den Schnee und so entstanden insbesondere in Nordhängen umfangreiche Triebschneeansammlungen. Auch das wäre ein weiteres Argument für Stufe 5 gewesen.
Schneedeckenstabilität
Der Einfluss der Stabilität der bereits vorhandenen Schneedecke ist bei Grossschneefällen sehr schwierig zu beurteilen. Sind Schwachschichten in der Schneedecke vorhanden, ist mit Brüchen in der Altschneedecke zu rechnen, dadurch werden die Lawinen grösser. Ist die Schneedecke aber sehr schwach, brechen Lawinen bereits früh während des Niederschlagsereignisses und damit bei kleineren Zusatzlasten durch den Neuschnee an. Damit werden die Lawinen nicht so gross, wie wenn sich die gesamte Neuschneemenge eines Starkschneefalles zuerst akkumuliert und sich erst gegen Ende des Niederschlages als Lawine löst.
Die Stabilität der Schneedecke wurde in Nordhängen im südlichen Wallis als schwach bis mittel eingeschätzt. Es wurde daher mit frühen Altschneebrüchen gerechnet. Allerdings wurde aufgrund der Unsicherheiten dieser Faktor weniger stark gewichtet.
Schneelage und Lawinenauslaufzonen
Das entscheidende Argument gegen die Stufe 5 war in diesem Fall die sehr dürftige Schneelage allgemein, und besonders in mittleren Höhenlagen. Die Auslaufzonen der typischen Lawinenzüge waren bereits zu einem grossen Teil ausgeapert. So wurde eingeschätzt, dass die Lawinen keine ausserordentlichen Ausmasse annehmen dürften.
Schneefallgrenze
Hier lag viel Unsicherheit in der Beurteilung. Der Lawinenwarndienst rechnete in der Prognose vor allem in den Hauptniederschlagsgebieten mit einer höheren Schneefallgrenze. Durch das raschere Absinken der Schneefallgrenze wurde im Wallis auch in mittleren Lagen beträchtliche Schneemengen verzeichnet, welche in den Sturzbahnen von grossen Lawinen mitgerissen wurden.
Eine vertiefte Verifikation des Ereignisses konnte zum Herausgabezeitpunkt von diesem AvaBlog noch nicht gemacht werden, da das Bild der Lawinenaktivität noch nicht komplett war. Gerade aus den Vispertälern waren aber noch wenig Rückmeldungen vorhanden, da die zuständigen Sicherheitsdienste insbesondere in diesen Gebieten mit anderen Problemen beschäftigt und teils auch von der Aussenwelt abgeschnitten waren (Stromausfälle, blockierte und gesperrte Verkehrswege).
Ein erster Eindruck liess aber vermuten, dass die Lawinengefahrenstufe 4 (gross) zutraf. Es wurden zahlreiche grosse Lawinen und einige sehr grosse Lawinen gemeldet und die Lawinendetektionssysteme zeigten in der Hauptphase vom Niederschlag viele Abgänge. Am grossen St. Bernhard traf eine Lawine die Galerie der Strasse und führte zu Schäden. Weitere Lawinen mit Schäden oder extrem grosse Lawinen waren bis zur Ausgabe dieses AvaBlogs nicht bekannt (Abbildung 5).