Winter, und zwar richtig ¶
Was gehört zu einem richtigen Winter? Viel Schnee, weiss bis ins Flachland, grosse Lawinengefahr und direkt anschliessend ein sonniger Sonntag. Genau das beschreiben wir in diesem AvaBlog.
Wetter ¶
Auf den letzten Grossschneefall folgte ein einziger Sonnentag, und schon begann es in der Nacht auf Donnerstag, 30. November wieder intensiv zu schneien. Mit starkem Südwestwind floss in der Höhe feuchtwarme Luft ein, während darunter Kaltluft liegen blieb. Damit schneite es noch länger bis ins Flachland, während es auf 2000 m teilweise regnete (Abbildungen 1 und 2).
Am Freitag stellte sich vor allem in Graubünden und im Osten eine Gegenstromlage ein. Während in der Höhe aus Südwesten feuchtwarme Mittelmeerluft herangeführt wurde, floss gleichzeitig in den unteren Schichten aus Norden kühle Polarluft ein. Die Mittelmeerluft wurde über die Kaltluft geschoben und hob sich dabei stark an. Dies führte am Freitag in Graubünden zu aussergewöhnlich intensiven Niederschlägen (Abbildung 3), mit fast einem Meter Neuschnee in der Bernina innerhalb eines Tages. Nachdem auch hier die Schneefallgrenze zwischenzeitlich auf etwa 2300 m gestiegen war, sank sie mit dem Vormarsch der Kaltluft am Schluss bis ganz hinunter. Auch in den anderen Gebieten schneite es am Freitag munter weiter, wenn auch nicht ganz so intensiv. Am Samstag fiel im Osten auch tagsüber noch etwas Schnee bis ins Flachland.
Bis Samstagabend waren innerhalb von 3 Tagen oberhalb von rund 2200 m im westlichen und nördlichen Unterwallis sowie am Alpenhauptkamm vom Rheinwald bis zur Bernina 80 bis 120 cm Neuschnee gefallen. Sonst waren es verbreitet 30 bis 80 cm, ganz im Süden weniger.
Am Sonntag, 3. Dezember war der Spuk vorbei, und die tief verschneite Winterpracht zeigte sich in eitlem Sonnenschein. Am Montag, 4. Dezember war es bedeckt, und aus Westen setzte schwacher Niederschlag ein.
Lawinen und Schneedecke ¶
Westen ¶
Viel Niederschlag, Wind und eine markante Erwärmung sind eine brisante Mischung, und so wurde im westlichsten Unterwallis ab Donnerstagmittag, 30. November vor grosser Lawinengefahr (Stufe 4) gewarnt, ab dem Abend auch im nördlichen Unterwallis. Nach dieser Spitze der Lawinengefahr wurde es kühler und die Schneefälle waren nicht mehr ganz so intensiv. Trotzdem blieb die Situation heikel. Es gingen weiterhin spontane Lawinen ab, vereinzelt auch sehr grosse (Abbildung 4). Ob Die Rückstufung von Gross (Stufe 4) auf Erheblich (3+) am Freitagmorgen, 1. Dezember korrekt war, ist auch im Nachhinein schwierig zu beurteilen.
Aber nicht nur in den Hauptniederschlagsgebieten gingen Lawinen ab. Die oberen Vispertäler wurden bisher von den Schneefällen ziemlich verschont. Als bis am Samstagmorgen, 2. Dezember 30 cm Schnee fielen, wurden von der automatischen Anlage erstaunlich viele Lawinen detektiert (Abbildung 5). Wir werten das als deutliches Zeichen eines in den schneearmen Gebieten des Südens weniger günstigen Schneedeckenaufbaus.
Osten ¶
In Graubünden waren die Niederschläge in der Nacht auf Samstag, 2. Dezember noch intensiver als erwartet. Die Gefahrenstufe 4 wurde deshalb im Morgenbulletin auf einen Grossteil des Kantonsgebietes ausgedehnt. In der Nacht auf Samstag waren viele und oft auch grosse Lawinen abgegangen. Bereits am Sonntag hatte sich die Situation deutlich entspannt und es wurden, gemessen am Schönwettersonntag, nur noch recht wenige Personenauslösungen gemeldet. Die Altschneedecke enthielt nach wie vor Schwachschichten (Abbildungen 6), aber diese waren verbreitet so tief eingeschneit, dass sie nur noch selten ausgelöst wurden. Wenn doch, konnten sich Brüche aber weit ausbreiten (Abbildung 7) oder sehr gross werden (Abbildung 8).
Gleitschneelawinen ¶
Frühes Einschneien des feuchten und noch warmen Bodens und danach viel Schnee sind die perfekte Ausgangslage für Gleitschneelawinen. In dieser Winterberichtsperiode wurden einige hundert Gleitschneelawinen gemeldet. Aber auch das ist wohl nur die Spitze des Eisberges, wie Abbildung 9 erahnen lässt. Es werden nicht die letzten gewesen sein.
Unfälle ¶
In dieser Berichtsperiode wurden dem SLF bis Redaktionsschluss vier Lawinenunfälle mit erfassten Personen gemeldet, zum Glück ohne ernste Folgen.
Schneelage am 4. Dezember ¶
Bereits der November brachte oberhalb 1500 m ausserordentlich viel Neuschnee. So wurde auf dem Weissfluhjoch (Davos, GR) auf 2536 m an 22 der 30 Novembertage Neuschnee gemessen. Die aufsummierte November-Neuschneesumme von 222 cm, wurde letztmals vor 21 Jahren (Nov. 2003) übertroffen.
Es ist darum nicht verwunderlich, dass, ausser im Süden, verbreitet mehr als das Doppelte der zu dieser Jahreszeit üblichen Schneehöhen lag (Abbildung 10). Ein Drittel der automatischen Messstationen hat oberhalb 2000 m an einem 4. Dezember noch nie eine so grosse Schneehöhe gemessen. Solche Stationen finden wir sowohl im Wallis, als auch am Alpennordhang und in Graubünden, doch messen die meisten davon erst seit 1999. Weiter zurück, Anfangs Dezember 1996, lag nördlich des Alpenhauptkamms noch mehr Schnee.
An den langjährigen Beobachter-Stationen unter 2000 m werden aktuell keine Rekordschneehöhen verzeichnet, weil die vergangenen Regenfälle die Schneehöhe immer wieder dezimierten. Auch hier wurden die meisten Rekorde für einen 4. Dezember im Jahre 1996 erreicht. 2023 folgt aber immerhin in ca. einem Drittel der Stationen auf Rang 2 bis 5.
Im Mittelland hängen die Rekordschneehöhen für ein Datum vor allem davon ab, wann genau ein Grossschneefall auftrat. Aktuell werden an den MeteoSchweiz-Stationen in Buchs (AG, 388 m), Kloten (ZH, 436 m), Zürich/Fluntern (ZH, 604 m) Rekordschneehöhen für einen 4. Dezember verzeichnet. Der vergangene Neuschneefall war im Mittelland höchstens fürs erste Dezemberdrittel aussergewöhnlich - letztmals hat es Mitte Januar 2021 im Mittelland noch mehr Neuschnee gegeben.
Gefahrenentwicklung
Lawinenbulletins dieser Zeitperiode im Überblick.