AvaBlog 23. - 27. Januar 2024

Viele Gleitschneelawinen, im Osten gebietsweise unterschätzte Gefahr von trockenen Lawinen am Samstag, 27. Januar

Nach einem winterlichen Start in die vergangene Woche stiegen die Temperaturen markant an. Mit schwachen Niederschlägen und starker Bewölkung gelangte viel Wärme in die Schneedecke. Dadurch nahm die Anzahl Gleitschneelawinen deutlich zu. Zudem gab es einige Lawinenauslösungen in flächigen Schwachschichten etwas tiefer Schneedecke, am Samstag gleich mehrere davon in der Region Davos.

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Grosse Lawine, die im Aufstieg zum Muttelhorn (2825 m, Zernez, GR) durch Personen ausgelöst wurde. Zwei Personen wurden mitgerissen, glücklicherweise verlief dies glimpflich. (Foto: SLF/F. Techel, 27.01.2024)
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Zu Beginn der Berichtsperiode waren die frischen Triebschneeansammlungen teilweise sehr störanfällig. So wurde am 23. Januar diese kleine Lawine im Triebschnee unterhalb vom Piz Soèr (2916 m, Scuol, GR) auf etwa 2400 m ausgelöst. (Foto: V. Dittli)
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Auch im Münstertal (unterhalb Piz Daint, Val Müstair, GR) waren die frischen Triebschneeansammlungen leicht auszulösen. (Foto: SLF/C. Lucas, 23.01.2024)
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Mit wenig Neuschnee und starkem Wind entstanden auch im Gebiet Zermatt (VS) störanfällige Triebschneeansammlungen. Hier am Hirli auf rund 2500 m waren sie eher dünn, mit der Höhe nahm ihre Mächtigkeit aber zu. (Foto: M. Sterren, 24.01.2024)
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Am 25. Januar ging in der Westflanke vom Brudelhorn (2791 m, Goms, VS) im Waldgrenzbereich eine grosse bis sehr grosse Schneebrettlawine in einer Schwachschicht im Altschnee ab... (Foto: R. Imsand)
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… wenn man genauer hinschaut, sieht man oberhalb vom rechten Rand des Schneebrettanrisses auch einen Gleitschneeriss. Ob eine Bewegung des Risses zur Auslösung geführt hat oder ob die Lawine spontan abging, ist nicht bekannt. (Foto: R. Imsand)
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Winterlich weiss sah es am 27. Januar noch am Murmelplanggstock (2864 m, Wassen, UR) aus. Bei genauer Betrachtung sieht man eine mittlere Schneebrettlawine, die spontan abgegangen ist. (Foto: J. Swiechowski)
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Eher braun und wenig winterlich sah es am 26. Januar nach dem Abgang dieser mittelgrossen Gleitschneelawine am Hinterrugg (2306 m, Wildhaus – Alt St. Johann, SG) aus. (Foto: S. Meier)
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Auch an der Südostflanke des Bella Lui (2548 m, Crans Montana, VS) ging eine eindrückliche Gleitschneelawine ab. (Foto: V. Bettler, 26.01.2024)
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Viel Gleitschneelawinenaktivität gab es auch unterhalb der Drusenfluh (2827 m, Schiers, GR). Man sieht sowohl frische Abgänge im Vordergrund, als auch überschneite, ältere Gleitschneelawinen im Hintergrund. (Foto: T. M. 27.01.2024)
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Sehr wahrscheinlich durch einen Wechtenbruch ausgelöste Lawine am Nordhang des Pischahorns (Klosters, GR); der Anriss liegt auf 2850 m. Die Lawine ging vermutlich in der Nacht vom 26. auf den 27. Januar nieder. (Foto: C. Micheli, 27.01.2024)

Wetter

Zu Wochenbeginn stand am Dienstag, 23. Januar mit Neuschnee bis in mittlere Lagen die Gefahr von trockenen Lawinen im Vordergrund. Die Schneefallgrenze sank rasch auf rund 1000 m (Abbildung 1). Danach fiel bis in die Nacht auf Samstag, 27.1. wiederholt Niederschlag, nicht in grossen Mengen, aber mit anhaltend sehr hoher Schneefallgrenze. Diese stieg in der Nacht auf Mittwoch, 24. Januar vorübergehend auf 2700 m an. Lokal wurden am westlichen Alpennordhang sogar Regenspuren auf 3000 m beobachtet. Diese hohe Schneefallgrenze lässt sich aus den Messungen an den automatischen Stationen nicht nachvollziehen und wird in Abbildung 1 unterschätzt. Erst gegen Ende des Niederschlags sank die Schneefallgrenze in der Nacht auf Samstag, 27.1. auf 1500 m ab.

Die Niederschlagsmengen, welche bis in hohe Lagen als Regen fielen, waren im Westen recht bescheiden. Am zentralen und östlichen Alpennordhang und in Nordbünden fielen in mittleren Lagen aber verbreitet 15 bis 30 mm Regen in die Schneedecke. Darüber war von entsprechenden Mengen in Zentimetern Neuschnee auszugehen. Bis zum Niederschlagsende in der Nacht auf Samstag, 27. Januar fielen damit am zentralen und östlichen Nordhang und in Nordbünden oberhalb von rund 2400 m in Summe verbreitet 30 bis 50 cm Schnee (Abbildung 2). Während der Woche blies der West bis Nordwind oft stark, in der Höhe zeitweise auch stürmisch. Am Samstag flaute der Wind ab.

Lawinen und Lawinengefahr

Nasse Lawinen

Rein aufgrund der Niederschlagsmengen war vor allem am westlichen Alpennordhang nicht von einem starken Anstieg der Aktivität von Gleitschneelawinen auszugehen. Daher wurde dort während der ganzen Woche vor mässiger Gefahr (Stufe 2) von Gleitschneelawinen gewarnt. Im Osten wurde mit den grösseren Regenmengen am Donnerstag, 25. Januar vor erheblicher Gefahr von Nass- und Gleitschneelawinen (Stufe 3) gewarnt. 


Im Nachhinein betrachtet, wurde die Gefahr vor allem im Westen und allgemein in ihrer Dauer unterschätzt. Durch die mangelnde Abstrahlung, die milden Temperaturen und den Regen gelangte viel Wärme in die Schneedecke, was die Gleitschneelawinenaktivität steigerte. Vom 24. bis zum 26. Januar wurden zahlreiche spontane Nass- und Gleitschneelawinen beobachtet. Am meisten Aktivität wurde am Nördlichen Alpenkamm und in Nordbünden registriert (vgl. Abbildungen 3 und 4). 
 

Trockene Lawinen

Mitte Januar wurde verbreitet eine ungünstige Altschneeoberfläche eingeschneit. In der dritten Januarwoche wurde diese vor allem im Westen eingeschneit, was dort gebietsweise zu vielen Lawinenabgängen führte, vgl. Blog vom 19. Januar. Im Osten fiel in dieser Periode nur wenig Schnee und Lawinen waren in dieser Phase dort eher klein, vgl. Blog vom Blog vom 22. Januar. Mit dem Neu- und Triebschnee dieser Berichtswoche (Abbildung 2) stieg die Lawinengefahr in den östlichen Gebieten des Nördlichen Alpenkamm, in Nordbünden und im nördlichen Unterengadin an und war bis am Freitag, 26. Januar mit erheblich (Stufe 3), am Samstag, 27. Januar mit mässig (Stufe 2) prognostiziert.
Einige Lawinenauslösungen am Freitag, 26. Januar, besonders aber am Samstag, 27. Januar im Gebiet Klosters/Davos und im nördlichen Unterengadin haben gezeigt, dass Lawinen auch in den oben beschriebenen Schwachschichten ausgelöst werden, flächig anreissen und teils gross werden konnten (Abbildungen 5 und 6). Dies vor allem oberhalb von rund 2700 m. Rückblickend war die Lawinengefahr auch am Samstag, 27. Januar in den Gebieten Prättigau, Davos, nördliches Unterengadin in diesen Höhenlagen erheblich (Stufe 3), was in der Prognose für Sonntag, 28. Januar dann angepasst wurde (vgl.  Gefahrenentwicklung unten).

Lawinenunfälle

Am Mittwoch, 24. Januar ereignete sich im Gebiet La Dotse (Orsière, VS) an einem Westhang auf rund 2300 m ein Lawinenunfall mit zwei erfassten Personen, wobei eine Person tödlich verunglückte. Am Samstag, 27. Januar wurden aus den Gebieten Prättigau/Davos fünf Lawinen gemeldet, die durch Personen ausgelöst wurden, wobei alle glimpflich verliefen (Meldungen bis Redaktionsschluss). 

Gefahrenentwicklung

Lawinenbulletins dieser Zeitperiode im Überblick.

 

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