Wiederholt Stau am Gotthard! ¶
Für einmal gilt die Staumeldung nicht für die Strasse, sondern fürs Wetter. Dank einer anhaltenden Südstaulage erlebte der Alpensüdhang eine aussergewöhnlich schneereiche Woche. Gebietsweise fiel bis zu 1.5 m Neuschnee. Die Lawinengefahr stieg zweimal auf die Stufe 4 (gross) an.
Vorgeschichte: Frühlingsgrüsse ¶
Auch der letzte grosse Schneefall war im Süden: In der zweiten Februarwoche fielen in Teilen des Tessins 60 bis 80 cm Neuschnee (AvaBlog 8.-12. Februar 2024). Im Norden fielen während dieser Periode nur einige Zentimeter. Danach gab es über eine Woche keinen nennenswerten Neuschnee. Es war zudem ausgesprochen mild, was zu frühlingshaften Verhältnissen führte. Wie MeteoSchweiz berichtet, war es der mildeste Februar und auch der mildeste meteorologische Winter seit Messbeginn. So waren bereits im Februar Sulzabfahrten möglich und an Südhängen musste für Touren die Schneegrenze mitberücksichtig werden (Abbildung 1).
Von Montag auf Dienstag, 20. Februar fiel dann im Norden endlich wieder Schnee. In den Urner Alpen wurden oberhalb von 1800 m bis zu 50 cm Schnee gemessen (Abbildung 2).
Viel Neuschnee zuerst im Westen, dann noch mehr im Süden ¶
Am Donnerstag, 22. Februar erreichte eine Kaltfront die Schweiz (MeteoSchweiz-Blog). Diese brachte zunächst im Westen viel Niederschlag: Im westlichsten Unterwallis fielen bis am Donnerstagabend bis zu 40 cm (Abbildung 4a). Die Schneefallgrenze sank von rund 1800 m bis in tiefe Lagen (Abbildung 3).
In der Nacht auf Freitag. 23. Februar fiel dann am Alpensüdhang intensiv Schnee.
Auf dem Berninapass fiel innerhalb von 24h 60 cm Neuschnee (Abbildung 5).
Der Schneefall war jedoch noch nicht vorbei. Es stellte sich eine ausgeprägte Südstaulage ein (Abbildung 6). Bis zum Ende der Niederschlagsperiode am Mittwochmorgen, 28. Februar wurden im Süden täglich weitere 10 bis 30 cm gemessen. Der Niederschlagsschwerpunkt lag dabei zeitweise etwas weiter östlich im Berninagebiet oder auch etwas weiter westlich am Oberwalliser Alpenhauptkamm (Abbildung 4).
Insgesamt fiel während sechs Tagen im Süden bis zu 150 cm Schnee (Abbildung 7). Auch in Graubünden und im Unterwallis wurde 40 bis 80 cm Neuschnee gemessen.
Klimatologische Einordnung ¶
Die aufsummierte 6-Tages-Neuschneesummen an den Messstationen im Oberengadin kommt nur alle 7 bis 10 Jahre vor. Eindrücklich ist auch der ausgeprägte Gradient zwischen den benachbarten Stationen: So nahm die Summe von Maloja (155 cm) über Sils-Maria (126 cm) bis nach St. Moritz (101 cm) deutlich ab (Abbildung 7). Dass eine solche Abnahme typisch ist für diese Wetterlage, zeigt die Tatsache, dass die Jährlichkeit an allen drei Stationen zwischen 7 und 10 Jahren liegt. Die in der gleichen Zeitperiode gemessenen Neuschneesummen von Samedan (73 cm) und San Bernadino im Misox (139 cm) entsprechen noch Jährlichkeiten von 5 Jahren. Nicht überraschend zeigen alle diese zwischen 1600 und 1800 m über Meer gelegenen Stationen klar überdurchschnittliche Schneehöhen (130 bis 150 %). Gleichzeitig zeigen aber einige langjährige Stationen am Alpennordhang auf mittlerer Höhe so wenig Schnee wie noch nie Ende Februar. Dies als Folge der mildesten Wintermonate seit Messbeginn (MeteoSchweiz-Blog). So liegen aktuell z.B. in Braunwald (GL, 1310 m) oder in den Flumserbergen (SG, 1310 m) weniger als 10 cm Schnee und in Wengen (BE, 1280 m) oder auf dem Stoss (SZ, 1280 m) gar kein Schnee mehr, was in den mehr als 70 Jahren seit Messbeginn noch nie vorgekommen ist.
Lawinengefahr und spontane Lawinen ¶
Am Freitag, 23. Februar wurde für einige südliche Regionen aufgrund der beträchtlichen Neuschneemengen mit grosser Lawinengefahr (Stufe 4) gewarnt (siehe Gefahrenstufenverlauf am Seitenende). Aufgrund der Intensität des Schneefalls und der registrierten spontanen Lawinenaktivität lässt sich diese Stufe weitgehend bestätigen (Abbildung 8). Diese Einschätzung spiegelt sich auch in den Rückmeldungen der SLF-Beobachter der betreffenden Regionen wider.
Die Frage, ob die Stufe 4 (gross) auch in den, an die Hauptniederschlagsgebiete nördlich angrenzenden Gebiete in Mittel- und Nordbünden erreicht wurde, lässt sich nicht abschliessend beantworten. Auch dort gingen spontane Lawinen ab, wie unter anderem am Sentischhorn, Davos (GR) am 26. Februar sichtbar wurde (Abbildung 9). Die Lawinen waren häufig mittel bis gross, sehr grosse Lawinen wurden kaum gemeldet.
Mit dem zwischenzeitlichen Nachlassen der Niederschlagsintensität am Wochenende nahm auch die spontane Lawinenaktivität ab. Es wurde verbreitet vor erheblicher Lawinengefahr (Stufe 3) gewarnt. Am Dienstag, 27. Februar wurde im Süden erneut vor grosser Lawinengefahr (Stufe 4) gewarnt. Dies vom nördlichen Tessin bis ins Berninagebiet. Ob die Gefahrenstufe 4 (gross) wiederum in allen Gebieten erreicht wurde kann bis zum Redaktionsschluss nicht abschliessend beurteilt werden. Das automatische Detektionssystem von Geoprävent in Olivone, TI registrierte am 27. Februar zahlreiche Abgänge. Zudem wurde an der Grenze zum Oberengadin am Dienstag, 27. Februar eine sehr grosse Lawine mit einer Anrissbreite von knapp 1000 m in der Nordflanke des Piz Grevalsalvas (2931 m, Surses, GR) gemeldet (Abbildung 10). Dies deutet darauf hin, dass die Stufe 4 (gross) zumindest gebietsweise erreicht wurde. Aufgrund der eingeschränkten Sichtverhältnisse war davon auszugehen, dass Lawinen noch nachträglich gemeldet werden.
Viele Personenlawinen am Wochenende 24./25. Februar, vor allem wegen Triebschnee ¶
Während im Süden der Schneefall und die Bewölkung anhielten, gab es im Norden einige Stunden Sonnenschein. Die Kombination aus Neuschnee und sonnigem Wetter zog über das Wochenende zahlreiche Tourengänger und Freerider in die Berge. Im Norden hatte jedoch der starke bis stürmische Südwestwind am Samstag, 24. Februar den lockeren Schnee intensiv verfrachtet. Die zuvor recht günstige Lawinensituation war vorbei, da ein akutes Triebschneeproblem entstand (Abbildung 11).
So gab es über das Wochenende viele Meldungen von Lawinen, die durch Personen ausgelöst wurden (Abbildung 12). Meist war der Windeinfluss der entscheidende Faktor, Lawinen brachen vor allem in den obersten Schichten der Schneedecke im Neu- und Triebschnee an und erreichten oft mittlere Grösse. Brüche in tieferliegenden Schichten wurden kaum gemeldet. An windgeschützten Hängen fand sich nach wie vor Pulverschnee.
Ausblick: Noch mehr Schnee im Süden? ¶
Im Süden setzte sich der reichliche Neuschnee dieser Berichtswoche zunehmend. Auch im Norden haben sich die Triebschneeschichten stabilisiert. Jedoch kündigte sich für das kommende Wochenende, 2./3. März bereits die nächste Südstaulage an …
Gefahrenentwicklung
Lawinenbulletins dieser Zeitperiode im Überblick.