Kaum Lawinen und Büsserschnee ¶
Stabile Frühjahrsverhältnisse mit klaren Nächten und tagsüber viel Sonnenschein dominierten diese Berichtsperiode. Anstelle von samtigen Sulzschnee-Teppichen bildete sich an der Schneeoberfläche aber vielerorts rauer Büsserschnee. Viel Sonne und trockene Luft liessen den Schnee an der Oberfläche direkt sublimieren. Somit sickerte auch an Sonnenhängen kaum Schmelzwasser in die Schneedecke und entsprechend gab es nur wenig Nass- und Gleitschneelawinen. Mit dem Ende dieser Berichtsperiode ging auch die aussergewöhnlich lange Trockenheit zu Ende.
Wetter ¶
Freitag, 25.03. bis Montag, 28.03.: Sonne satt ¶
Tagsüber gab es viel Sonne und nachts war es klar. Damit waren die Abstrahlungsbedingungen günstig. Die Nullgradgrenze lag tagsüber zwischen 2500 m und 2900 m (Abbildung 1). Der Wind wehte oft schwach, zeitweise auch mässig aus südlichen Richtungen.
Dienstag, 29.03. bis Donnerstag, 30.03.: Saharastaub, Bewölkung und Schneefall ¶
In der Nacht auf Dienstag gelangte Saharastaub in die Schweiz. Das Ereignis war deutlich weniger ausgeprägt als zwei Wochen zuvor. Die Nacht war aber bereits bewölkt und die Abstrahlung reduziert. Tagsüber war es nochmals recht sonnig und trocken. Am Mittwoch und Donnerstag fielen ganz im Westen 10 bis 15 cm, sonst verbreitet wenige Zentimeter Schnee. Die Schneefallgrenze sank bis Donnerstag auf rund 1500 m.
Schneedecke und Lawinensituation ¶
Trotz viel Sonnenschein im ersten Teil dieser Berichtsperiode ging die Durchfeuchtung der Schneedecke nur zögerlich voran. Gründe dafür waren die klaren Nächte und die trockene Luft.
- In den klaren Nächten kühlten die nassen Schneeoberflächen durch langwellige Abstrahlung stark ab. Es entstanden mächtige Schmelzharschkrusten, die im Tagesverlauf lediglich an Südhängen und in mittleren Lagen ganz aufgetaut wurden. An Ost- und Westhängen wurden sie in hohen Lagen nur teilweise aufgetaut. An Nordhängen war die Energiebilanz negativ und die Durchfeuchtung ging nicht weiter.
- Die trockene Luft führte dazu, dass der Schnee tagsüber an der Oberfläche direkt sublimierte oder nach dem Schmelzen verdunstete. So sickerte kaum Schmelzwasser von der Oberfläche in die Schneedecke und diese wurde in den tieferen Schichten kaum weiter angefeuchtet.
Vor der Abkühlung zum Ende der Berichtsperiode waren Südhänge bis über 3000 m, Westhänge bis gegen 2800 m, Nordhänge bis gegen 1800 m und Osthänge bis gegen 2500 m durchfeuchtet.
Da die Durchfeuchtung nur zögerlich in neue Höhenlagen vordrang und sich die Schneedecke nachts durch die Abstrahlung immer wieder stabilisieren konnte, ging die Lawinenwarnung von einem moderaten tageszeitlichen Anstieg der Gefahr von Nass- und Gleitschneelawinen aus. Wären da nicht die ausgeprägten Schwachschichten in den inneralpinen Gebieten des Wallis und vor allem Graubündens noch immer vorhanden gewesen. Aufgrund der Tatsache, dass solche Schichten besonders empfindlich auf die erste Anfeuchtung reagieren und zum Ende der letzten Berichtsperiode in Graubünden bereits einzelne Lawinenabgänge im Altschnee beobachtet wurden, wurde das Potenzial für Nassschneelawinen in Graubünden höher eingestuft. Für Teile Mittelbündens, des Engadins und des Münstertals wurde am Freitag, 25.03. und am Samstag, 26.03. vor erheblicher Gefahr von nassen Lawinen im Tagesverlauf gewarnt. Die Lawinenaktivität blieb aber hinter den Erwartungen zurück und die erhebliche Lawinengefahr wurde zumindest von der Lawinenaktivität nicht bestätigt. Es blieb in allen Gebieten bei wenigen Lawinenbeobachtungen (Abbildung 2), auch dort wo der Schneedeckenaufbau besonders ungünstig war.
Ein weiterer Nebeneffekt der trockenen Luft war die Bildung von Büsserschnee. Dieser entsteht, wenn bei starker Sonneneinstrahlung und tiefer Luftfeuchtigkeit Schnee sublimiert. Dabei ist der Energieeintrag in kleinen Mulden und Vertiefungen aufgrund von Reflexionen stärker als auf kleinen Erhebungen. Dadurch werden die Mulden zunehmend tiefer und die Spitzen bleiben erhalten (Abbildung 3). Der Name Büsserschnee ist auf einen spanischen Brauch zurückzuführen. In der Karwoche werden dort in einigen Regionen Bussprozessionen in weisser Kleidung und mit spitzen Kapuzen durchgeführt. Da die Schneeformationen ähnlich aussehen wie eine Gruppe von Büssern in ihren weissen Kleidern bekam sie den Namen Büsserschnee.
Mit den rauen Oberflächen hielt sich das ‘Fahrvergnügen’ vielerorts in Grenzen. Die Devise war, erst dann abzufahren, wenn die Büsserschnee-Formationen aufgetaut waren. Stellenweise liessen sich aber auch glattere Oberflächen finden – weniger holprig, dafür mit Saharastaub dekoriert (Abbildung 4).
Mit der Abkühlung zum Ende der Berichtsperiode nahm die klassische Frühjahrssituation ihr Ende. Nasse Lawinen waren kaum mehr zu erwarten. Die Neuschneemengen waren bis Redaktionsschluss noch bescheiden (Abbildung 5), sodass die Gefahr von trockenen Lawinen vorerst nur wenig anstieg und im Westen und Norden gebietsweise vor mässiger Gefahr gewarnt wurde.
Endlich Neuschnee ¶
Mit dem Neuschnee zum Ende der Berichtsperiode ging am Alpennordhang verbreitet eine rund 32-tägige Periode ohne Neuschnee zu Ende. So viele Tage ohne Neuschnee ist zwischen Dezember und April oberhalb 1300 m am Alpennordhang ein sehr seltenes Ereignis. Unter Berücksichtigung der letzten 40 Jahre gab es am Alpennordhang nur wenige Winter, die eine ähnlich lange Periode ohne Neuschnee erlebt hatten. Trotz grosser Unterschiede zwischen den einzelnen Stationen stach eine rund 42-tägige Periode im Winter 1992/93 heraus (Tabelle 1).
Tabelle 1: Anzahl Tage ohne Neuschnee an ausgewählten manuellen Messfeldern. Die aktuelle Periode ist gelb markiert. Am Messfeld Trübsee gab es in den letzten 40 Jahren noch nie eine längere Trockenperiode während des Winters, in Malbun und Grindelwald Bort erst einmal, in Davos und Grimentz erst zweimal.
Auf Grund der fehlenden Neuschneefälle seit spätestens Anfangs März (Tabelle 2) waren die aktuellen Schneehöhen nicht nur am Alpensüdhang, sondern auch am Alpennordhang stark unterdurchschnittlich. Oberhalb 2000 m lagen nur ca. 65 % des langjährigen
Mittelwertes. Mehr als die Hälfte der automatischen IMIS Stationen hatte seit Messbeginn vor rund 25 Jahren noch nie so wenig Schnee Ende März registriert. An der knapp 90-jährigen Messreihe auf dem Weissfluhjoch (GR, 2540 m) wurden solch schneearme Situationen aber schon mehrfach registriert. Aktuell lagen auf dem dortigen Messfeld 156 cm Schnee. In den Jahren 1996, 1991 und 1989 lag praktisch gleich wenig Schnee. Am wenigsten Schnee Ende März wurde im Jahr 1972 mit nur 104 cm registriert.
Tabelle 2: Neuschneesumme seit 1. November 2021 an ausgewählten Stationen (Stationshöhe in der zweiten Linie) jeweils mittwochs jeder Woche. Die Zahlen reflektieren die absolute Neuschneesumme pro Station und Zeitpunkt. Die Farben zeigen die relative Abweichung um langjährigen Mittelwert 1991-2020 (dritt-unterste Linie). Neue Minima/Maxima der aktuellen Neuschneesummen sind rot umrandet. Eine Zunahme der Neuschneesumme wird jeweils mit einem horizontalen Strich gekennzeichnet.
Lawinenunfälle ¶
In dieser Wochenberichtsperiode wurde der Lawinenwarnung SLF nur eine einzige durch Personen ausgelöste Lawine gemeldet. Die Lawine verlief glimpflich.
Gefahrenentwicklung
Lawinenbulletins dieser Zeitperiode im Überblick.