Schwacher Altschnee in den inneralpinen Gebieten ¶
Oben blau, unten grau – und das fast zehn Tage lang. Mit dem ruhigen Wetter nahm die Lawinengefahr kontinuierlich ab. Am Alpennordhang ging die Gefahr vor allem noch von Gleitschneelawinen aus, in den inneralpinen Gebieten des Wallis und Graubündens dominierte die schwache Altschneedecke die Lawinensituation. Besonders in diesen Gebieten wurden einige, teils grosse Lawinen durch Personen ausgelöst. Bei einem Lawinenunfall verstarb leider eine Person.
Wetterrückblick ¶
Das von einem Hochdruckgebiet bestimmte Wetter dieser Wochenberichtsperiode ist schnell zusammengefasst: in den Bergen war es nach klaren Nächten tagsüber jeweils sonnig. Der Wind blies zeitweise mässig bis stark aus verschiedenen Richtungen, wodurch kleine Triebschneeansammlungen entstanden. Markant - und ungewöhnlich für die Jahreszeit - war, dass die Nullgradgrenze während mehrerer Tage bei 3000 m lag (Abb. 1). An schattigen Hängen merkte man aber kaum etwas von den milden Temperaturen. Hier wurden selbst an diesen Tagen Temperaturen an der Schneeoberfläche von -10°C und kälter gemessen.
Entwicklung der Lawinensituation ¶
Die Lawinensituation war geprägt von einem langsamen Rückgang der Lawinengefahr. Zwei Lawinenprobleme bestimmten die letzten acht Tage:
- Gleitschneelawinen – vor allem am Alpennordhang
- Schwacher Altschnee – vor allem im südlichen Wallis sowie in Graubünden
Gleitschnee war zunächst noch das hauptsächliche Lawinenproblem am Alpennordhang. Allerdings hatte die Aktivität von Gleitschneelawinen bereits während der sonnigen und sehr milden Tage (beschrieben im letzten Wochenbericht) ihre Spitze erreicht, als sich an Südhängen unterhalb von 2400 m zahlreiche kleine und mittlere, selten auch grosse Gleitschneelawinen gelöst hatten. Die Anzahl der gemeldeten Gleitschneelawinen nahm jeden Tag weiter ab. Zum einen weil viele Hänge bereits entladen waren – wie bspw. die Bilder der Webcam auf der Axalp ob Brienz (BE) zeigen (Abbildung 2), zum anderen auch weil die Temperaturen wieder etwas zurückgingen. Zuletzt wurden nur noch sehr vereinzelt Abgänge von Gleitschneelawinen gemeldet.
Schwacher Altschnee bestimmte die Lawinengefahr im südlichen Wallis und in grossen Teilen Graubündens, wo die Lawinengefahr bis zum 18.12. noch als Erheblich (Stufe 3) eingeschätzt wurde. Allerdings wurden Alarmzeichen – wie Wummgeräusche und Rissbildungen – auch in diesen Gebieten immer seltener beobachtet. Auch Stabilitätstests brachen zunehmend bei höheren Stufen, deuteten aber weiterhin auf eine sehr gute Bruchausbreitung in der fast überall existierenden, tief in der Schneedecke verborgenen Schwachschicht hin (Abbildung 3 und 4 [Video]). Diese Beobachtungen deuteten an, dass zwar die Stellen, an denen ein Bruch in einer Schwachschicht durch das Gewicht einer Person erzeugt werden konnte, abnahmen, dass sich aber Brüche weiterhin über grosse Distanzen ausbreiten konnten. Die Folge waren mittlere, vereinzelt sogar grosse Lawinenauslösungen, ohne dass vorher Alarmzeichen beobachtet wurden (Abbildungen 5 und 6). Auch Fernauslösungen wurden gemeldet. All dies sind Kennzeichen eines ausgeprägten Altschneeproblems.
Abb. 4 (Video): Schneeprofil und Rutschblock-Versuch, aufgenommen neben einer am Vortag durch eine Person ausgelösten Lawine in einem Westhang auf 2800 m. Der Rutschblock – eine Mini-Lawine – brach beim ersten Sprung, was bereits einer etwas höheren Belastung entspricht, dann aber als ganzer Block, was auf eine gute Bruchausbreitung schliessen lässt (Älplihorn, Davos; Video: SLF/L. Dürr, 20.12.2021).
Mehr als zehn Tage ohne Niederschlag, mit grosser Abstrahlung in schattigen Lagen, hinterliessen ihre Spuren: die Schneedecke gefror zunehmend aus, so dass sich grosse kantige Kristalle bildeten. Dies hatte zur Folge, dass man teils wieder tief in die Schneedecke einsank (Abbildung 7). Im Tessin, wo es zuletzt am 9. Dezember geschneit hatte, war die Schneehöhe unterdurchschnittlich. Südhänge waren dort vielerorts wieder schneefrei (Abbildung 8).
Lawinenunfälle und Suchaktionen ¶
In den acht Tagen zwischen dem 16. und 23.12. wurden 7 Lawinen gemeldet, bei welchen 8 Personen mitgerissen wurden; oberhalb von Zermatt verstarb ein Variantenfahrer infolge eines Lawinenabgangs (17.12.). Soweit dies bekannt war, handelte es sich ausschliesslich um Lawinen, welche im schwachen Altschnee angebrochen waren.
Am 21.12. ereignete sich am Galtiberg (ausserhalb des Skigebietes am Titlis, OW) auf 2700 m ein sehr grosser Lawinenabgang, ausgelöst vermutlich infolge einer Gletscherbewegung (Abbildung 9). Die Lawine war mehrere Hundert Meter breit und fast 3 km lang. Die gesamte Schneedecke löste sich. Da der Lawinenabgang in einem nach Schneefällen vielbefahrenen Variantengebiet geschah, wurde umgehend eine Kontrollsuche eingeleitet und von der Polizei abgeklärt, ob Personen vermisst wurden. Glücklicherweise hatte sich niemand im Einzugsgebiet dieser Lawine befunden.
Lawine beobachtet oder ausgelöst? Wummgeräusch wahrgenommen? Oder die Lawinensituation anders eingeschätzt als von uns prognostiziert? ¶
Rückmeldungen zur Lawinensituation sind immer erwünscht. Am einfachsten geht dies über die SLF-App White Risk oder über unsere Webseite (Abbildung 10). Sehr gern mit Foto, damit wir uns ein besseres Bild der Situation vor Ort machen können. Diese Informationen fliessen in die tägliche Überprüfung unserer Prognose mit ein. Trifft die Rückmeldung noch vor 17 Uhr ein, so kann sie - zusammen mit anderen Rückmeldungen - für das aktuelle Lawinenbulletin mit in die Beurteilung einbezogen werden. Aber auch später sind die Informationen noch sehr wichtig. Bilder verwenden wir gern zur Illustration des Wochenberichtes, sofern diese nicht vertraulich sind.
Gefahrenentwicklung
Lawinenbulletins dieser Zeitperiode im Überblick.