Schwache Profile – günstige Lawinensituation ¶
„Nach klarer Nacht ist es tagsüber sonnig“ – dieser Satz fand sich mehrfach in den letzten Lawinenbulletins. Die Woche war aber nicht nur geprägt von vielen Sonnenstunden, sondern auch von einer günstigen Lawinensituation.
Beständiges Hoch ¶
Das bereits zum Ende des letzten Wochenberichtes erwähnte Hochdruckgebiet erwies sich als langlebig. In den Alpen zeigte sich dies mit wiederholt maximalen Sonnenstunden (Abb. 1).
Anfangs kletterten die Temperaturen nach oben. Am Samstag, 15.01. wurde es auf der Alpensüdseite mit Nordwind frühlingshafte 10 Grad warm. Am Sonntag, 16.01. begann das Hoch zu schwächeln und eine schwache Kaltfront konnte über die Schweiz ziehen. Diese führte zu einer deutlichen Abkühlung; die Nullgradgrenze sank von 3000 auf 1000 m (Abb. 2). Viel Niederschlag brachte diese Kaltfront aber nicht. Es blieb bei einigen Schneeflocken in der Nacht auf Montag im Osten. Dienstag und Mittwoch, 18./19.01. waren dann bereits wieder sehr sonnig. In der Nacht auf Donnerstag, 20.01. beendete eine weitere Kaltfront die ausgeprägte Schönwetterperiode. In den östlichsten Berner Alpen, am zentralen und östlichen Alpennordhang und in Nordbünden fielen 5 bis 15 cm Schnee.
Schneedecke und Lawinensituation ¶
Schwache Profile – wenige Lawinenauslösungen ¶
Die Schneedecke änderte sich gegenüber der letzten Wochenberichtsperiode nur wenig. Nach wie vor waren Schwachschichten im Bereich der Regenkruste von Ende Dezember vorhanden. Stabilitätstests (Rutschblöcke und ECT's) brachen weiterhin in diesen Schichten, teils auch bei tiefer, zunehmend aber bei mittlerer bis hoher Belastung (Abb. 3). Zusätzlich zeigten die Schneeprofile vom zentralen Wallis über das nördliche Tessin bis nach Graubünden auch tiefer in der Schneedecke Schwachschichten. All das war keine klassische Ausgangslage für einen Rückgang auf Gefahrenstufe 1.
Ein ganz anderes, viel positiveres Bild zeigten die Lawinenauslösungen: Über die gesamte Wochenberichtsperiode wurden nur einzelne, durch Personen ausgelöste Lawinen registriert (Abb. 4). Kaum Lawinen in Kombination mit vielen günstigen Rückmeldungen aus dem Gelände führten dazu, dass von Sonntag, 16.01. bis Mittwoch 19.01. in der ganzen Schweiz die Lawinen Stufe 1 – gering prognostiziert wurde.
Vermutlich haben zwei Einflüsse massgeblich zur günstigen Situation beigetragen:
- Die Schichten oberhalb der Kruste wurden zunehmend kantig aufgebaut und verloren damit an Fähigkeit, einen Bruch auszubreiten.
- Die Regenkruste verteilte die Belastung eines Wintersportlers auf eine grössere Fläche. Damit wurde die Zusatzbelastung pro Fläche darunter so klein, dass sie kaum noch für einen Bruch unterhalb der Kruste reichte.
«Geringe» Lawinengefahr mitten im Winter ¶
In der ganzen Schweiz geringe Lawinengefahr im Hochwinter und erst noch genügend Schnee für Skitouren – eine seltene Angelegenheit. Das letzte Mal herrschte eine vergleichbare Lawinensituation Mitte Januar 2020. Auch zum Jahreswechsel 2015/16 und 2016/17 war die Lawinengefahr verbreitet gering gewesen, damals lag aber so wenig Schnee, dass Skitouren kaum möglich waren. Im Februar 2011 war die Lawinengefahr ebenfalls über mehrere Tage in allen Gebieten gering. Damals war die Schneehöhenverteilung gerade umgekehrt; im Norden lag klar unterdurchschnittlich viel Schnee, während die Tourenverhältnisse im Süden sehr gut waren.
Schneeoberfläche und Triebschnee ¶
Die Schneeoberfläche zeigte sich sehr variabel: Von windgeprägt und hart bis hin zu pulvrig war diese Woche alles vorhanden. Die Bildung von Triebschnee war trotz teils starkem Wind eingeschränkt, weil nach früheren Windperioden mittlerweile nur noch wenig verfrachtbarer Schnee vorhanden war. Durch die aufbauende Schneeumwandlung war zwar besonders in kammfernen Hängen zunehmend lockerer Schnee vorhanden, aber an diesen Stellen war der Wind meist wenig stark, so dass nur lokal Schnee verfrachtet werden konnte. Mit der Kaltfront und dem Neuschnee zum Berichtsende hin akzentuierte sich das Triebschneeproblem wieder. Der Triebschnee wurde auf eine lockere Schneeoberfläche abgelagert und war damit instabil.
Trotz der aktuell meist günstigen Situation bildet die Schneedecke keine gute Ausgangslage für den nächsten grossen Schneefall: Die aufgebaute Schneeoberfläche und vielerorts Oberflächenreif (Abb. 5) haben das Potential typische Schwachschichten zu werden.
Rekordwenig Schnee im Süden ¶
Das Hochdruckwetter hatte auch Folgen auf die Schneehöhen: Das westliche Tessin und das Simplongebiet wiesen unterhalb 2000 m teilweise so wenig Schnee auf wie zu dieser Jahreszeit noch nie seit Messbeginn (Abb. 6).
Am 19. Januar zeigten die Stationen Bosco Gurin (1515 m, TI, seit 1951) mit 1 cm und Robièi (1890 m, TI, seit 1966) mit 5 cm neue Minima für Mitte Januar. An der Station Robièi liegen an diesem Tag im langjährigen Mittel 134 cm, im Maximum sogar 275 cm Schnee (Abb. 7).
Die Station Simplon Hospiz (2000 m, VS, seit 1956) egalisiert mit 29 cm das bisherige Minimum für Mitte Januar aus dem Jahre 1993. An den höher gelegenen automatischen Stationen dieser Region (Schneehöhen ca. 50 cm) waren Mitte Januar einige wenige Winter der letzten 25 Jahre noch schneeärmer.
Gefahrenentwicklung
Lawinenbulletins dieser Zeitperiode im Überblick.