Blauer Himmel, geringe Lawinengefahr und keine einzige Personenlawine ¶
Sowohl Wetter als auch die Lawinensituation zeigten sich von ihren besten Seiten. Im Norden war es mit viel Sonne und geringer Lawinengefahr die perfekte Wintersportwoche! Im Süden wurde die Schneearmut noch grösser.
Omegahoch ¶
Über die ganze Berichtsperiode hinweg, brachte ein umfangreiches Hochdruckgebiet sehr sonniges und trockenes Wetter (Abbildung 1). Es handelte sich dabei um ein sogenanntes Omegahoch, also ein Hochdruckgebiet, welches zwischen zwei Höhentiefs „eingeklemmt“ ist. Dieses Gebilde erinnert auf der Isobarenkarte an den griechischen Buchstaben Omega, deshalb sein Name.
Mit meist etwas Nordwind blieb es relativ kühl. Die Nullgradgrenze blieb mehrere Tage unter 1500 m, erst am Mittwoch kletterte sie wieder über 2000 m (Abbildung 2).
Schneedecke und Lawinensituation ¶
Ampel wechselt auf grün ¶
Bereits in der letzten Wochenberichtsperiode hatte sich eine Beruhigung des Altschneeproblems abgezeichnet. In dieser Berichtsperiode erwies sich die Lawinensituation als ausgesprochen günstig. Ein Parameter dafür sind die gemeldeten Gefahrenzeichen: Über den gesamten Berichtszeitraum wurden dem SLF über 200 Meldungen zu Gefahrenzeichen (Wumms und Risse) aus dem Gelände gemacht. Dabei wurde nur ein einziges Wumm gemeldet, alle anderen Meldungen besagten, dass keine Alarmzeichen wahrgenommen wurden (Abbildung 3).
Zwar zeigten Schneeprofile, dass der Schneedeckenaufbau nach wie vor nicht überall stabil war. Im Bulletin wurde deshalb weiterhin vor ausgeprägten Schwachschichten gewarnt, insbesondere im südlichen Wallis, sowie in den inneralpinen Graubündens. Die Stellen, wo tatsächlich noch Lawinen ausgelöst werden konnten, wurden aber so rar, dass ab Sonntag, 06.03. in allen Gebieten geringe Lawinengefahr prognostiziert wurde.
Die Verhältnisse ändern nicht sprunghaft, und der Rückgang beim Altschneeproblem ist langsam. Ein Vergleich des Wortlautes des Gefahrenbeschriebs für die inneralpinen Gebiete zwischen Samstag, 05.03 und Sonntag, 06.03. zeigt dies deutlich (Abbildung 4). Bei alleiniger Betrachtung der Gefahrenstufe würde der reale Rückgang überschätzt werden.
Erneut «geringe» Lawinengefahr im Winter 2022 ¶
Bereits Mitte Januar gab es eine Periode mit geringer Lawinengefahr in den Schweizer Alpen. Im Folgenden werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der aktuellen und der Januar-Situation diskutiert.
Wetterlage ¶
Beide Perioden waren geprägt von ausgeprägtem Hochdruckwetter: sonnig, relativ kalt, allgemein recht wenig Wind.
Personenauslösungen ¶
Mitte Januar gab es während dieser Periode immer noch Personenauslösungen. In der aktuellen Periode blieben diese ganz aus (Abbildung 5). Die letzte Personenlawine (mind. Grösse 2 ("mittel") wurde vor 10 Tagen (27.02.) gemeldet. In Anbetracht der vielen Tourengänger im Gelände ist das doch eine sehr spezielle Situation.
Schneedecke ¶
Sind wie jetzt Schwachschichten vorhanden, aber Lawinenauslösungen bleiben aus, ist dies anhand der Brett- und Schwachschicht-Eigenschaften zu erklären: Nur im Falle einer ungünstigen Kombination sind Auslösungen möglich.
- Im Vergleich zum Januar liegt deutlich mehr Schnee.
- An Stellen mit viel Schnee ist das Brett nun sehr kompakt und hart. Die hohe Steifigkeit des Brettes verhindert, dass sich Brüche initiieren lassen und sich diese gut ausbreiten.
- An Stellen mit wenig Schnee finden wir eine vergleichbare Situation wie im Januar: Das Schneebrett wurde zunehmend kantig aufgebaut und verlor damit an Fähigkeit, einen Bruch auszubreiten.
- Schwache Altschneeschichten verfestigen auch über Monate hinweg nur sehr wenig. Dennoch ist davon auszugehen, dass sie nun nochmals etwas weniger schwach sind.
Offensichtlich ist eine ungünstige Kombination von Schneebrett und Schwachschicht noch seltener geworden, und die aktuelle Situation damit stabiler als im Januar.
Nass- und Gleitschneelawinen ¶
Die Aktivität von Gleitschneelawinen war aufgrund der eher tiefen Temperaturen bescheiden. Dennoch gab es am Alpennordhang mittlere und einige grosse Gleitschneelawinen (Abbildung 6). Das Abgleiten der ganzen Schneedecke auf dem Boden ergibt rasch Lawinen mit einem erhöhten Schadenspotential.
Für Donnerstag, 10.03. wurde mit den gestiegenen Temperaturen gebietsweise vor mässiger Gefahr von «Nasse Lawinen im Tagesverlauf» gewarnt. Damit nahm die Periode mit einer rein grünen Gefahrenkarte ein (vorläufiges) Ende.
Schneeprofile für die Forschung: ¶
Dieses freistehende Schneeprofil wurde im Rahmen von Forschungsfeldarbeiten auf dem Dach eines Materiallagers des SLF am Eingang des Flüelatal (Davos, GR) gegraben (Abbildung 7). Durch das Durchscheinen der Sonne erkennt man deutlich die einzelnen Schichten, welche sich im Laufe des Winters gebildet haben. Besonders hell leuchteten die ausgeprägten Schwachschichten aus Oberflächenreif. Sie haben eine geringere Dichte im Vergleich zu den kompakteren Schichten.
Der Oberflächenreif bildet sich an diesem Standort, aufgrund der Nähe zum Bach (hohe Luftfeuchtigkeit) und der schattigen, windgeschützten Lage, sehr häufig. Werden solch grosse und kantige Kristalle im Gelände eingeschneit, verwandeln sie sich zu einer äusserst störanfälligen Schwachschicht. Beeindruckend ist auch, wie viele einzelne Schichten sich mit der Lupe durch genaues Hinschauen entdecken lassen.
Schneelage und klimatologische Einordnung ¶
Auf Grund des warmen Winters und geringer Niederschläge (siehe Analyse MeteoSchweiz) ist es nicht überraschend, dass auch die gefallenen Neuschneemengen in vielen Gebieten gering sind. Abbildung 8 zeigt, dass die aufsummierten täglichen Neuschneehöhen an allen für die Alpensüdseite gezeigten Stationen ab Weihnachten unterdurchschnittlich (braune Farbe) sind (Beginn der Summenbildung: 1. November). Die aktuelle Summe an den Stationen Simplon Dorf (4SM), San Bernardino (6SB) und Bosco Gurin (6BG) war sogar noch nie so klein (basierend auf der Normperiode 1991-2020). Mit Ausnahme von Simplon Dorf (kleinste Neuschneesumme 54 cm im Winter 1989/90), gilt das auch über die ganze Messperiode betrachtet.
Unterhalb 1800 m liegt auf der Alpensüdseite aktuell kein oder nur wenig Schnee. Die Stationen Simplon Hospiz (VS, 2000 m), Robiei (TI, 1890 m) und Bosco Gurin (TI, 1525 m) beobachteten, trotz Messreihenlänge seit mindestens 1966, noch sie so wenig Schnee anfangs März. In San Bernardino (GR, 1640) lagen am 9. März 1981 ebenfalls 8 cm. Auch die grosse Mehrheit aller automatischen Stationen im Oberengadin, Tessin und angrenzenden Südost-Wallis liegt bezüglich minimaler Schneehöhe aktuell auf Rang 1 oder 2.
Unterhalb 1000 m sind die aktuellen Schneehöhen auch auf der Alpennordseite klar unterdurchschnittlich. An den beiden Stationen MeteoSchweiz Basel und MeteoSchweiz Luzern ist es sogar erst das zweite Mal (nach Winter 2019/2020), dass an keinem einzigen Tag seit November eine Schneedecke beobachtet werden konnte. Zwischen 1000 und 1800 m sind die Schneehöhen aktuell leicht unterdurchschnittlich bis durchschnittlich, mit Ausnahme von Nord- und Mittelbünden, wo leicht überdurchschnittliche Schneehöhen verzeichnet werden (Abbildung 9). Über 1800 m sind die Schneehöhen momentan schweizweit mehrheitlich leicht unterdurchschnittlich.
Gefahrenentwicklung
Lawinenbulletins dieser Zeitperiode im Überblick.