Kalt, mit Neuschnee und Föhnsturm verbreitet Triebschnee, Altschneeproblem mit hoher Auslösebereitschaft vor allem im Wallis ¶
Nach einer markanten Abkühlung über die Weihnachtstage kehrte Frau Holle zurück. Erst fielen im Norden bis zu 70 cm lockerer Schnee. Dann schneite es im Westen und im Süden bis zu 60 cm. Gleichzeitig verfrachtete ein Föhnsturm den im Norden noch lockeren Schnee intensiv. Viele Lawinen wurden durch Wintersportler ausgelöst, im Wallis vor allem im schwachen Altschnee, in den übrigen Gebieten auch im frischen Triebschnee.
Wetter ¶
Heiligabend und Weihnachten: Abkühlung ¶
Die Nullgradgrenze sank von fast 3000 m bis in tiefe Lagen. Auf 2000 m sanken die Temperaturen von plus 6 °C am 23. Dezember auf minus 9 °C am 26. Dezember. Damit war das Weihnachtstauwetter definitiv vorbei. Trotzdem: Das Jahr 2020 dürfte auch trotz diesem kalten Jahresende als wärmstes Jahr seit Messbeginn in die Annalen eingehen (Quelle: MeteoSchweiz). In der Nacht auf Heiligabend setzte aus Westen Schneefall ein. Die Schneefallgrenze sank von 2000 m rasch bis in tiefe Lagen. Bis am Morgen des 26. Dezembers fielen am Alpennordhang bis zu 70 cm Neuschnee (vgl. Abbildung 2).
Am Alpennordhang fiel der Schnee meist mit relativ wenig Wind und wurde sehr locker abgelagert. In der Höhe und am zentralen Alpenhauptkamm blies der Nordwind stärker.
Samstag, 26. Dezember: Viel Sonnenschein ¶
Abgesehen von Restbewölkung in den nördlichen Gebieten unterhalb von etwa 2000 m war es recht sonnig.
Sonntag, 27. bis Dienstag, 29. Dezember: Föhnsturm, Schnee im Westen und Süden ¶
Sturm Hermine übernahm nun das Geschehen. Am Sonntag setzte in der Höhe starker bis stürmischer Südwestwind und in den Alpentälern des Nordens starker Föhn ein (siehe Abbildung 3). Der lockere Neuschnee der Weihnachtstage wurde dadurch intensiv verfrachtet (vgl. Abbildung 4).
Am Sonntagabend setzten im Westen Schneefall ein, der bis Dienstagabend anhielt. Im Westen fielen 20 bis 60 cm, an der Grenze zu Frankreich bis zu 70 cm Schnee. Im Süden fielen verbreitet 20 bis 40 cm (vgl. Abbildung 5).
Mittwoch, 30. und Donnerstag 31. Dezember: Im Westen wenig Schnee, im Osten teils sonnig ¶
Im Westen war es meist trüb und im Jura sowie vom Chablais über die Waadtländer bis in die Freiburger Alpen fielen rund 10 bis 20 cm Schnee. Im Osten blieb es trocken und es war oft sonnig.
Schneedecke und Lawinensituation ¶
In mittleren Lagen, wo die Schneedecke bis zu Weihnachten angefeuchtet wurde, verfestigte sich diese durch die Abkühlung. Es bildete sich teils eine Kruste, welche dann verbreitet eingeschneit wurde.
Das Altschneeproblem dauerte an. Vor allem im Wallis, aber auch in Graubünden und am Alpennordhang brachen Lawinen im schwachen Fundament der Schneedecke an. Betroffen waren vor allem die Regionen, die im Dezember nicht die höchsten Neuschneesummen aufzeichneten und damit eine kritische Überdeckung des schwachen Altschneefundaments aufwiesen (vgl. Abbildung 6 und 7).
Altschnee-Spurensuche: Wo lag Ende November 2020 Schnee? ¶
Wer derzeit eine Tour plant und nicht gerade ins Tessin geht, wo die Überdeckung des schwachen Altschnees mächtig und stabil ist, wird sich vermutlich fragen, wo vor dem Schnee vom Dezember Altschnee lag, der potentiell eine Schwachschicht bilden könnte. Für diese Frage könnte das hochaufgelöste Bild des Sentinel Satelliten von Ende November helfen (vgl. Abbildung 8). Wer weiss, vielleicht fliessen solche hochaufgelösten Informationen in Zukunft auch direkt ins Lawinenbulletin?
In dieser Wochenberichtsperiode bildete sich aber auch ein Triebschneeproblem. Wind ist der Baumeister von Lawinen. Bereits am Freitag, 25.12. und Samstag, 26.12. bildete sich mit kräftigem Nordwind Triebschnee vor allem am zentralen Alpenhauptkamm und auch sonst in der Höhe. Noch mehr Schnee wurde aber mit dem Föhnsturm verfrachtet. Zusammen mit der Erwärmung bildete sich ein kompaktes «Brett», welches teils sehr auslösefreudig war. Typischerweise kann sich Triebschnee sehr rasch, innerhalb von wenigen Stunden, bilden und zu einem markanten Anstieg der Lawinengefahr führen. Und die Auslösebereitschaft kann auch rasch wieder abnehmen.
Triebschneeproblem in der Prognose ¶
Die genaue Vorhersage dieses Anstieges ist eine grosse Herausforderung in der Prognose. Dies zeigte sich auch diesmal: Die Lawinengefahr wurde für den Sonntag, 27. Dezember in den bezüglich Triebschnee am kritischsten beurteilten Gebieten als gross (Stufe 4, alpines Schneesportgelände) eingeschätzt (Prognose für Sonntag, 27. Dezember). Dies nicht nur wegen des Windes sondern auch wegen der deutlich milderen Temperaturen während des Föhnsturmes. Der Wind hielt sich aber nicht ganz an die Prognose. Er kam zwar, aber deutlich später als vorhergesagt. Er setzte erst im Laufe des Sonntagnachmittags ein und somit war die Einschätzung für den Sonntagnachmittag mit Stufe 4 zu hoch.
Da der Wind verzögert einsetzte und das Maximum in der Nacht erreichte, wurde die Stufe 4 für die Nacht auf den Montag, 28. Dezember beibehalten. Rückmeldungen aus den betreffenden Föhngebieten des Alpennordhanges bestätigten dann aber die sehr hohe Auslösbarkeit des Triebschnees nicht (u.a. wurden kaum spontane Lawinen beobachtet).
Triebschneeproblem für den Wintersportler ¶
Der geübte Wintersportler kann Triebschneeansammlungen oft gut erkennen und somit die Gefahrenstellen meiden. Vielmals ist die Gefahr vom Triebschnee auch deutlich spürbar, es gibt Gefahrenzeichen wie Rissbildung oder Wummgeräusche oder an kleinen Hängen lassen sich Abgänge provozieren (vgl. Abbildung 9). Allerdings ist das Umgehen der Gefahrenstellen nicht immer einfach, da insbesondere nach Stürmen, wie es in dieser Wochenberichtsperiode der Fall war, neben den Triebschneeansammlungen gar kein Schnee mehr liegt. Teilweise kann eine sichere Route nur zu Fuss begangen werden.
Hinzu kommt, dass Triebschneeansammlungen nicht immer gut erkennbar sind. Oft sind von der Schneeoberfläche keine Unterschiede in der Schneebeschaffenheit auszumachen und es kann nur über die Geländeform angenommen werden, wo Triebschnee liegen könnte (vgl. Abbildung 10). Oder der Triebschnee ist überschneit und deshalb nicht mehr erkennbar.
Lawinenunfälle ¶
Vom 24. bis zum 31. Dezember wurden 14 Lawinenunfälle gemeldet, wobei insgesamt 20 Personen erfasst wurden.
Insgesamt wurden diesen Winter bisher 35 Lawinenunfälle gemeldet, wobei sechs Personen ums Leben kamen und eine Person vermisst wird. Total wurden 46 Personen von Lawinen erfasst, was über dem Durchschnitt der letzten 10 Jahre von 29 erfassten Personen per Ende Dezember liegt.
Der nächste Wochenbericht erscheint am Donnerstag, 7. Januar 2021.
Gefahrenentwicklung
Lawinenbulletins dieser Zeitperiode im Überblick.