Wenig Schnee – gute Tourenverhältnisse nur noch im Hochgebirge ¶
Die zweite Maihälfte begann mit Niederschlag, ehe es sommerlich warm wurde und die Nullgradgrenze auf über 4000 m anstieg. Danach sorgte eine Kaltfront für merkliche Abkühlung und stoppte die Schneeschmelze zwischenzeitlich. Vor allem zu Beginn der Berichtsperiode gingen im Hochgebirge einge flächige, meist oberflächennahe Schneebrettlawinen ab.
Wetter und Lawinen ¶
Freitag, 15. bis Sonntag 17.05.: Niederschlag, im Süden teils intensiv
Nachdem bereits in den Tagen davor im Süden ergiebige Niederschläge gefallen waren (siehe Wochenbericht vom 14. Mai), ging es auch von Freitag, 15. bis Sonntag, 17. feucht weiter. Die Schneefallgrenze lag im Süden bei 2300 bis 2600 m, im Norden bei 2000 bis 2200 m. Am Sonntag war es zunächst recht sonnig, bevor gegen Abend nochmals Niederschlag fiel.
Die grösste Niederschlagsmenge fiel im Sotto Ceneri als Regen. Am meisten Schnee fiel im Bergell und im Berninagebiet mit 20 bis 40 cm. Am Alpenhauptkamm, im übrigen Graubünden und im östlichen Berner Oberland fielen 10 bis 30 cm, sonst weniger.
Vermutlich am Übergang zum Altschnee lag eine ausgeprägte Schwachschicht, so dass Schneebrettlawinen in einzelnen Fällen fernausgelöst werden konnten (Abbildung 1) und teils auch grossflächig anrissen (Abbildung 2).
Vermutlich gingen die meisten spontanen Lawinen am Sonntag, 17.05. mit der ersten Anfeuchtung ab. Weil die Nacht auf Sonntag meist bedeckt und die Abstrahlung damit stark eingeschränkt war, war diese Anfeuchtung trotz eher verhaltener Temperaturen markant. Auch bei einer grossen Lawine bei Les Diablerets (Abbildung 3) war vermutlich Wärme im Spiel. Weil das Anrissgebiet nicht eingesehen werden konnte, blieb unklar, ob es sich um eine Nassschnee- oder eine Gleitschneelawine handelte.
Abb. 3: Film einer Gleitschneelawine an der Südseite der Les Diablerets, Conthey, VS (Foto: DB. Gentile, 17.05.2020).
Montag, 18. bis Freitag 22.05.: Meist sonnig und warm
In der Folge war es bis nach Auffahrt meist sonnig, mit Quellwolken im Tagesverlauf. Die Temperaturen stiegen stetig an, und die Nullgradgrenze überschritt am 20. Mai die 4000 m-Grenze (Abbildung 7). Mit dem schönen Wetter und der Lockerung der Corona-Massnahmen waren wieder mehr Tourengänger im Gebirge unterwegs und das SLF erhielt dadurch auch wieder etwas mehr Rückmeldungen (Abbildung 4).
Im Hochgebirge waren die Tourenverhältnisse am Morgen jeweils recht günstig. Vereinzelt war die Schwachschicht der Vorwoche aber noch auslösbar (Abbildung 5). Es wurden zwei Personenauslösungen gemeldet, bei denen Skitourenfahrer mitgerissen wurden. Beide Lawinenabgänge blieben zum Glück ohne Folgen.
Aus dem Avers-Gebiet erreichte die Lawinenwarnung gleich zwei interessante Beobachtungen. Am Pizzo Stella (Italien) war die im Süden mächtige Schneeschicht von Mitte Mai in einer sehr grossen Lawine abgegangen (blaue Lawine in Abb. 6/1). Bereits früher im Winter war in derselben Flanke eine noch viel grössere Lawine abgegangen (rote Lawine in Abb. 6/1). Diese stürzte in den See, worauf das Wasser überschwappte und einen Murgang auslöste. Solche Verkettungen von Naturgefahren sind oft schwer vorhersehbar. Im abgeschiedenen Gelände des Pizzo Stella hatte sie keine Folgen.
Samstag, 23. bis Sonntag 24.05.: Kaltfront sorgt für Abkühlung
Ab Samstagmittag, 23.05. überquerte eine aktive Kaltfront die Schweiz aus Westen. Die Nullgradgrenze machte einen Sprung von über 4000 m auf 2000 m (Abbildung 7). Die Schneefallgrenze sank von 3400 m bis teilweise unter 2000 m. Am meisten Niederschlag fiel an den zentralen und östlichen Voralpen als Regen. Schnee gab es ganz in der Höhe: am nördlichen Alpenkamm vom Trient bis in die Urner- und Schwyzer Alpen sowie im Unterwallis 20 bis 30 cm, sonst 5 bis 20 cm. Der Wind blies am Morgen mässig aus West, danach zeitweise stark aus Nordwest bis Nord.
Montag, 25. bis Sonntag 3105.: Mit Bise meist sonnig
Die Woche bis Pfingsten war wieder meist sonnig, jedoch deutlich kühler als vor der Kaltfront. Die Nullgradgrenze pendelte zwischen 2500 m und 3500 m. Die Bise wehte mässig bis stark.
Die Nächte waren nur teilweise klar, so dass die Schneeoberfläche in hohen Lagen nicht immer tragfähig gefror. Im Hochgebirge dagegen waren die Tourenverhältnisse am Morgen jeweils verbreitet günstig (Abbildung 8).
Schneedecke und Schneeschmelze ¶
Bereits Mitte Mai war die Altschneedecke an Nordhängen bis gegen 3000 m durchfeuchtet, an den anderen Expositionen noch höher hinauf. Mit der Wärme in der dritten Maiwoche gefror die Schneeoberfläche trotz klarer Nächte erst oberhalb von rund 2500 m tragfähig. Ende Mai waren Südhänge verbreitet bis auf über 2500 m ausgeapert. Nur im Hochgebirge und an Nordhängen oberhalb von 2300 bis 2600 m lag noch eine geschlossene Schneedecke. Diese war oft rau und von der Schmelze geprägt (Abbildung 9).
In hohen Lagen nahmen die Schneehöhen in der zweiten Maihälfte rasch ab. Dies zeigt z.B. der Schneehöhenverlauf bei der manuellen Messstation auf dem Weissfluhjoch (Davos, GR, 2540 m). Auf diesem (windgeschützten) Flachfeld lagen am 31.05. noch 85 cm Schnee (blaue Kurve in Abbildung 10). Dies entspricht nur gerade 58 % der mittleren Schneehöhe um diese Jahreszeit (dicke violette Kurve). Nachdem die Schneehöhen zumindest in der Höhe bis im März ziemlich genau dem langjährigen Mittel entsprachen, sind sie im trockenen und warmen April deutlich darunter gefallen. Weitere Infos zum Winterverlauf finden sich im Winterbericht.
Landesweit war gemäss MeteoSchweiz der Mai 2020 im Schnitt 1 °C wärmer als die Norm 1981−2010. Damit wurde in der Schweiz der drittwärmste Frühling seit Messbeginn 1864 gemessen. Zudem ist es bereits der 12. Monat in Serie, welcher wärmer als die Norm ausfällt – ein bedenklicher Rekord.
Lawinenunfälle und Lawinenbulletin ¶
In der zweiten Maihälfte wurden dem Lawinenwarndienst drei Lawinen mit erfassten Personen gemeldet:
- 17.05. Bei der Hütte Les Vignettes (VS) wurde eine Seilschaft auf 3120 m von einem Schneebrett erfasst und leicht verletzt. Die Air-Glaciers wurde aufgeboten.
- 20.05. Am Aletschjoch auf 3550 m wurde 1 Person von einer nassen Schneebrettlawine erfasst, jedoch nicht verschüttet.
- 21.05. Am Scherhorn (UR) wurde bei noch tragfähiger Schmelzharschkruste eine Schneebrettlawine ausgelöst. 1 Person wurde ein Stück weit mitgerissen, zum Glück ohne Folgen.
Lawinenbulletins in Textform erschienen in der zweiten Maihälfte am 16., 18., 20. und das vorläufig letzte am 22. Mai.
Nach dem Auffahrtswochenende wurde am 24. Mai auf Sommerbetrieb umgestellt. Im Sommer und im Herbst publiziert das SLF nur bei grossen Schneefällen Lawinenbulletins. Die Kriterien für ein Lawinenbulletin im Sommer finden sich hier.
Auch wenn das SLF kein Lawinenbulletin publiziert, sollte vor allem bei Neuschnee die Lawinensituation beachtet werden. Sie können sich per White Risk App, SMS oder RSS-Feed über die Herausgabe eines Bulletins informieren lassen.
Gefahrenentwicklung
Lawinenbulletins dieser Zeitperiode im Überblick.