Wochenbericht 11. - 17. Januar 2019

Ausserordentliche Lawinensituation mit sehr grosser Gefahr (Stufe 5)

Eine Nordweststaulage mit sehr ergiebigen Niederschlägen, dazu viel Wind, und das alles nur Tage nach einem anderen Grossschneefall. Das waren die Zutaten, die am Montag, 14. Januar, gebietsweise zur höchsten Gefahrenstufe (5, sehr gross) führten. Es gingen sehr grosse Lawinen ab und viele Verkehrswege mussten sicherheitshalber gesperrt werden.

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Die Geissberglawine kennzeichnete die Landschaft bei Gurtnellen (UR) und floss teils nur knapp um die Häuser herum (Foto: SLF/L. Dürr, 16.01.2019).
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Trügerische Idylle: Auch wenn das Wetter lockt, sollten gesperrte Wege nicht betreten werden. Abgang einer Gleitschneelawine bei St. Antönien, GR (Foto: C. Nett, 11.01.2019).
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Bei strahlendem Sonnenschein war diese Schneebrettlawine an der Pointe des Savolaires gut sichtbar (Gemeinde Bex, VD). Anders sieht es bei trübem Wetter aus. Schlechte Sicht kann so manchen Lawinenabgang verschleiern und die Gefahreneinschätzung erschweren. (Foto: N. Vuadens, 12.01.2019)
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Damit Schneebrettlawinen überhaupt abgehen können, muss gebundener Schnee (das „Brett“) auf einer Schwachschicht liegen. Beides zeigt dieses Bild eindrücklich. Um Informationen über den Schneedeckenaufbau zu bekommen, lohnt sich ein Schneeprofil wie hier an der Camaner Alp im Safiental (GR). (Foto: T. Nussbaumer, 11.01.2019).
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Fernauslösung über grosse Distanz am Seewlehore (Lenk, BE): Von der Spur in der unteren Bildmitte aus lösten die mit Abständen aufsteigenden Tourengeher die Schneebrettlawine etwa 400 m über ihnen aus (Foto: P. Eichenberger, 13.01.2019).
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Am 13./14.01. schneite es am nördlichen Alpenkamm, in Nordbünden und im nördlichen Unterengadin anhaltend und intensiv. Dies hatte auch in Davos, GR, die höchste Lawinenwarnstufe 5 (sehr gross) zur Folge (Foto: SLF/L. Dürr, 14.01.2019).
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Lawinen erreichten durch die enorme Neuschneemenge gebietsweise sehr grosse Ausmasse. Vielerorts, wie z.B. an der Gemeindegrenze Ober- und Niederried bei Interlaken (BE)… (Foto: N. Hildebrand, 13.01.2019)
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… oder auch am Glärnisch bei Glarus Mitte (GL) konnten eindrückliche Ablagerungen beobachtet werden. Hier auf 650 m ü.M. (Foto: R. Stüssi, 13.01.2019).
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Bei hoher Lawinengefahr muss mit Spontanauslösungen auch grosser Lawinen gerechnet werden. Diese Lawine im Bereich Ravine Neuve (Fully, VS) stiess in diesem Graben rund 700 m weit in den aperen Wald vor (Foto: G. Cheseaux, 15.01.2019).
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Im Nordosten wurden auch in tiefen Lagen Gleitschneelawinen zum Problem, wie hier in Alt St. Johann, SG (Foto: P. Diener, 16.01.2019).
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Die grosse Menge an Neuschnee verwandelte die Häuser von Davos (GR) in eine zauberhafte Märchenlandschaft (Foto: SLF/V. Feicht, 15.01.2019).
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Diese Rehe nutzen die freien Stellen von Gleitschneelawinen bei Engi im Sernftal (Glarus Süd, GL) zum Äsen. Für sie ist der Winter mit all den Freeridern eine Herausforderung! Eine rücksichtsvolle Routenwahl gehört daher für Wintersportler zum guten Ton (Foto: A. Schmidt, 15.01.2019).
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Eine sehr grosse Lawine am Tällihorn im Sertig, Davos, GR (Foto: SLF/S. Margreth, 16.01.2019).
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In Triebschneehängen kamen gewisse Lawinenverbauungen ans Limit. Geissberg bei Gurtnellen, UR (Foto: SLF/S. Margreth, 16.01.2019).
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Hier ist nichts mehr zu befürchten, die Lawine ist unten. Chäserrugg (Wildhaus-Alt St. Johann, SG), an einem Osthang (Foto: S. Meier, 17.01.2019).
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Ob all der Lawinenbilder nicht zu vergessen: Schnee ist auch etwas wunderbar Schönes! Eine traumhafte Aussicht bei Leysin, VD, … (Foto: SLF/S. Harvey, 15.01.2019)
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… und auch Wintersport, mit der nötigen Vorsicht betrieben, macht Spass. Hier oberhalb von Mathon, GR. (Foto: G. Kappenberger, 16.01.2019).

Wetter, Schneedecke und Lawinen

Ausgangslage am Freitag, 11.01

In der Nacht auf Freitag ging eine dreitägige Schneefallperiode zu Ende, die dem östlichen Alpennordhang bis zu 130 cm Neuschnee beschert hatte (Abbildung 1). Dank tiefer Schneefallgrenze lag auch in mittleren und tiefen Lagen viel Schnee.

Nach diversen Schneefällen in den vorangegangenen zwei Wochen war die Schneedecke in den nordöstlichen Gebieten recht günstig aufgebaut und enthielt kaum prominente Schwachschichten. In den schneeärmeren Regionen, besonders im Westen, war die Altschneedecke weniger günstig. Nach dem weihnächtlichen Regen hatte sich bis auf etwa 2400 m eine Schmelzkruste gebildet. Darüber lag gebietsweise eine dünne, aber teils störanfällige Schwachschicht aus kantig aufgebauten Kristallen.

Freitag und Samstag, 11./12.01.: Ruhe zwischen den  Grossschneefällen

Am Freitagmorgen war es teils sonnig, dann zogen erneut Wolken auf. In der Nacht auf Samstag fielen im Norden etwa 10 cm Neuschnee bis ins Flachland, dann klarte es in den Bergen aus Westen wieder auf. Dieser wenige Neuschnee beeinflusste die Lawinengefahr zunächst nicht. So locker wie er war, stellte er aber eine ungünstige Unterlage dar für den kommenden Grossschneefall.

Die Lawinengefahr wurde verbreitet mit Stufe 3 (erheblich) eingestuft. Vor allem aus den westlichen Gebieten wurden verschiedene Lawinenauslösungen durch Wintersportler gemeldet. Teilweise umfassten diese nur den Neuschnee (Abbildung 2), oft brachen sie aber im Altschnee an (Abbildung 3), und dies oft auch im Bereich der Waldgrenze.

Sonntag und Montag, 13./14.01.: Massiver Schneefall und gebietsweise sehr grosse Lawinengefahr (Stufe 5)

Eine Nordweststaulage verursachte am Sonntag und am Montag anhaltende und intensive Niederschläge. Am nördlichen Alpenkamm von Les Diablerets bis Liechtenstein, im Gotthardgebiet, in Nordbünden, in Teilen Mittelbündens und im nördlichen Unterengadin waren es 80 bis 120 cm, in den östlichen Urner und Glarner Alpen bis zu 160 cm (Abbildung 4). Die Schneefallgrenze stieg von tiefen Lagen in der Nacht auf Montag vorübergehend auf etwa 1300 bis 1500 m, danach sank sie wieder in tiefe Lagen. Die anhaltend starken und teils auch stürmischen Nordwest- und später Nordwinde führten an Ost- und Südhängen zu mächtigen Triebschneeansammlungen.

Zusammen mit den Schneefällen der vorangegangenen Woche (Abbildung 1 und Wochenbericht vom 10. Januar) ergaben sich im Nordosten sehr grosse Zehn-Tages-Niederschlagssummen (Abb. 5). Von Liechtenstein über das Prättigau bis nach Arosa und Davos waren es verbreitet die höchsten oder zweithöchsten Schneemengen, die je in 10 aufeinanderfolgenden Tagen gemessen wurden (Tabelle 1). Dabei wurden im Raum Klosters – Davos – Arosa Jährlichkeiten von 10 bis 40 Jahren berechnet, von Liechtenstein bis ins nördliche Prättigau sogar solche von 150 und 300 Jahren. Auch wenn methodenbedingt Jährlichkeiten, die grösser als die dreifache Länge der Datenreihe sind, grosse Unsicherheiten aufweisen, steht doch fest, dass es sich dort um eine aussergewöhnliche Schneefallperiode handelte. In hohen Lagen war die gemessene Zehn-Tages-Neuschneesumme nicht ganz so selten. Die am Versuchsfeld Weissfluhjoch (5WJ) gemessene Neuschneesumme von 190 cm wird etwa alle 5 Jahre erreicht.

Weil auch davor Schnee gefallen war, weisen in dieser Region auch die fünfzehn-Tages-Neuschneesummen ähnlich hohe Jährlichkeiten auf. Unabhängig davon, welche Zeitperiode betrachtet wird, fielen die intensivsten Schneefälle am Schluss. Dies ist in punkto Lawinengefahr die ungünstigste Reihenfolge.

Im Nordosten war der Schneedeckenaufbau vor diesen Niederschlägen recht günstig, die Schneeoberfläche aber sehr locker. Dort wo der Neuschnee nicht während des Niederschlags auf dieser lockeren Schicht abglitt, konnte sich in den Einzugsgebieten viel Schnee anhäufen. Zudem konnten Lawinen auf dem Weg ins Tal viel Schnee mitreissen, und beim trockenen Schnee war mit Staublawinen zu rechnen. Damit bestand das Potenzial für sehr grosse und vereinzelt extrem grosse Lawinen. Für den Montag wurde deshalb vom östlichen Berner Oberland über die Urner bis in die Glarner Alpen und in der Silvretta die höchste Gefahrenstufe (5, sehr gross) herausgegeben (siehe Gefahrenentwicklung am Ende des Berichts). Am Montagmorgen wurde diese Gefahrenstufe um einen Streifen vom St. Galler Oberland und das Prättigau bis ins nördliche Unterengadin erweitert, dafür aber im Westen etwas zurückgenommen. Sonst wurde die Gefahr verbreitet mit Stufe 4 (gross) eingeschätzt. Ganz im Süden waren die Verhältnisse günstiger.

Vermutlich gingen am meisten Lawinen mit der Erwärmung und den stärksten Winden in der Nacht auf Montag ab (Abbildungen 6 und 7). Beim schlechten Wetter und mit den vielen gesperrten Verkehrswegen wurde aber wohl nur der kleinste Teil davon gemeldet. Bei genauerer Betrachtung waren aber auch später noch viele Spuren sichtbar (Abbildung 8). In tiefen und mittleren Lagen gingen mit dem Regen zudem viele Nass- und Gleitschneelawinen ab.

Im Nachhinein betrachtet scheint die Gefahrenstufe 5 (sehr gross) in den Glarner Alpen und im Raum Davos durch die Lawinenaktivität bestätigt. Im Berner Oberland wurde sie wohl nicht erreicht. In den andern Gebieten war bei Redaktionsschluss noch keine klare Aussage möglich.

Im Westen fiel nicht ganz so viel Schnee, doch war die hier deutlich dünnere Altschneedecke weniger günstig aufgebaut. Damit waren auch hier die Verhältnisse sehr kritisch und es wurden viele spontane, teils ebenfalls sehr grosse Lawinen beobachtet (Video 1 am Anfang des Berichts und Abbildung 9).

Dienstag, 14.01. bis Donnerstag, 16.01.: Sicherungsmassnahmen und Rückgang der Lawinengefahr

In der Nacht auf Dienstag endete der Schneefall auch im Nordosten. Am Morgen lösten sich die Wolken auch im Osten auf, und es war bis am Mittwoch meist sonnig und mild.  Am Donnerstag trübte es aus Westen ein und im Norden fiel wenig Schnee.

Auch nach dem Ende der Niederschläge gingen noch einzelne Lawinen spontan ab. Vor allem aber wurden viele Lawinen gesprengt (Video 1 - 3, Abbildung 10). Auch diese Lawinen wurden teils sehr gross und entwickelten oft einen hohen Staubanteil.

Wie üblich, gingen nach den grossen Schneefällen vor allem an Südhängen wieder vermehrt Gleitschneelawinen ab (Abb. 11). Mit der mächtigen Schneedecke im Nordosten wurden diese teils gross.

Schneelage Mitte Januar

In mittleren Lagen waren die Schneehöhen im Westen, im südlichen Wallis und im Süden unter-, sonst überdurchschnittlich. Im Nordosten waren sie stark überdurchschnittlich (Abbildung 12).  In hohen Lagen dagegen waren die Schneehöhen überall grösser als normalerweise Mitte Januar, im Nordosten, und am Oberwalliser Alpenhauptkamm sogar viel grösser.

In Nordbünden, in Teilen Mittelbündens und im nördlichen Engadin wurde an allen Stationen mehr Schnee gemessen als jemals zuvor Mitte Januar. Absolute Schneerekorde wurden keine verzeichnet, diese werden besonders bei höher gelegenen Stationen erst später im Winter erreicht. Die aktuellen Schneemengen waren damit weder für Lawinenverbauungen noch für die Tragfähigkeit der Dächer problematisch - ausser dort, wo mit den anhaltend starken Winden viel Triebschnee abgelagert worden war (Abbildung 13). Viel Schnee schon früh im Winter birgt immer das Risiko, dass es bei künftigen, grösseren Schneefällen im Verlaufe des Winters kritisch werden könnte.

Lawinenunfälle und Schadenlawinen

Dank den Massnahmen der lokalen Lawinendienste, und manchmal sicher auch mit etwas Glück, gab es trotz angespannter Lawinensituation im Siedlungsraum und auf Verkehrswegen keine Todesopfer zu beklagen.

Lawinenunfälle

Bis Redaktionsschluss wurden dem SLF 18 Lawinen mit erfassten Personen gemeldet. Diese ereigneten sich mehrheitlich am westlichen Alpennordhang und in den zentralen Voralpen, wo die Altschneedecke Schwachschichten enthielt und diese nicht so tief überdeckt waren. In den Hauptniederschlagsgebieten des Ostens gab es nur vereinzelt Lawinenunfälle. Insgesamt wurden 29 Wintersportler erfasst und 5 davon ganz verschüttet. Drei Personen starben in Lawinen (Liste der tödlichen Unfälle):

  • Am Sonntag, 13.01. machte sich ein Tourengeher im Engadin alleine auf in Richtung Es-cha. Er wurde von einer Lawine verschüttet und konnte erst am Mittwoch, 16.01. tot geborgen werden.
  • Am Montag, 14.01. wurden im Skigebiet Portes du Soleil (VS) zwei Personen bei Sicherungsarbeiten von einer Lawine erfasst, eine Person wurde ganz verschüttet und verstarb.
  • Am Dienstag, 15.01. wurde eine Person beim Variantenfahren am Mont Gont (VS) von einer Lawine erfasst und ganz verschüttet.

Sachschäden

Im Gegensatz zu den Unfalllawinen wurden Sachschäden fast ausschliesslich vom zentralen und östlichen Alpennordhang sowie aus Graubünden gemeldet. Bis zum Redaktionsschluss wurden über 20 Lawinen mit Sachschäden gemeldet, wobei diese Bilanz sicher noch sehr unvollständig war. Dabei handelte es sich um diverse Schäden an Fahrzeugen, Strassen, Wald und einzelnen Gebäuden, aber auch um (zum Glück negative) Sucheinsätze. Der grösste Sachschaden war wohl eine beschädigte Stütze der Säntisbahn, der vermutlich zu einem längeren Stillstand der Seilbahn führte. Sonst schien sich das Schadensausmass in Grenzen zu halten. Auffallend war, dass Schadenslawinen teils auch unterhalb von Lawinenverbauungen anrissen (Abbildung 14).

Gefahrenentwicklung

Lawinenbulletins dieser Zeitperiode im Überblick.

 

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