Ende des intensiven Schneefalls, dann Rückgang der Lawinengefahr ¶
In der Nacht auf Freitag endete eine kurze, aber heftige Schneefallperiode. Eine Südstaulage hatte grosse Neuschneemengen gebracht, die auch weit über den Alpenhauptkamm nach Norden hinüber gegriffen hatten. An einzelnen Stationen wurden die höchsten 2-Tages-Neuschneesummen seit Beginn der Messungen registriert. In den Hauptniederschlagsgebieten wurde vor grosser Lawinengefahr (Stufe 4) gewarnt. Im Nachhinein zeigte sich, dass schon während des intensiven Schneefalls sehr viele Lawinen abgegangen waren. Diese waren teils sehr gross, aber nur selten aussergewöhnlich, so dass keine grösseren Schäden bekannt wurden. Bei wechselhaftem Wetter ohne grössere Schneefälle beruhigte sich die Lawinensituation in der Folge sehr schnell.
Freitag, 05.04.: Ende des Grossschneefalls und gebietsweise grosse Lawinengefahr (Stufe 4) ¶
Die 3-tägige Schneefallperiode ¶
Bereits am Dienstag, 02.02. fiel im Süden Niederschlag (siehe letzten Wochenbericht). Von Mittwoch- bis Freitagmorgen schneite es dann verbreitet und gebietsweise sehr intensiv, wobei sich die stärksten Schneefälle mit der Zeit vom Oberwalliser Alpenhauptkamm nach Osten bis zum Berninagebiet verlagerten und weit über den zentralen Alpenhauptkamm nach Norden übergriffen. Die Schneefallgrenze lag zunächst bei 1600 bis 2000 m. Im Norden sank sie rasch unter 1000 m, im Süden und im Osten auf 1200 bis 1600 m. Der Südwind blies anfangs stark bis stürmisch. Im Norden war er von Westen her schon während des Niederschlags stark abgeflaut. Insgesamt fielen im Süden von Dienstag- bis Freitagmorgen bzw. im Norden von Mittwoch- bis Freitagmorgen folgende Schneemengen (Abbildung 1):
- Alpenhauptkamm vom Simplon Gebiet bis zum Berninapass, Haslitäler, Meiental, Maderanertal, nördliches und mittleres Tessin, Moesano: 100 bis 150 cm, von den oberen Maggiatälern bis in die Urseren bis 180 cm
- Direkt angrenzende Gebiete 60 bis 100 cm
- Sonst verbreitet 40 bis 60 cm, im nördlichen Unterwallis und vom Alpstein über Nordbünden bis ins nördliche Unterengadin 20 bis 40 cm.
Am Freitag war es im Süden meist bewölkt, sonst sonnig (Abbildung 2).
Maximale 2-Tages-Neuschneesummen an einzelnen Stationen ¶
So viel Neuschnee in so kurzer Zeit ist im Süden nicht aussergewöhnlich, in den nördlichen Gebieten aber schon. So wurden an den beiden Messstationen in den Haslitälern (Guttannen und Gadmen) die höchsten, und an vier weiteren Stationen in Uri und Obwalden die zweithöchsten, je gemessenen 2-Tages Neuschneesummen verzeichnet (Tabelle 1). Im Süden dagegen reichte es einzig an der Station Ritom oberhalb von Piotta für einen 8. Rang. Ursache ist einerseits, dass Starkniederschläge im Süden häufiger sind, und andererseits, dass die Schneefallgrenze im Norden deutlich tiefer lag, so dass dort auch die gewöhnlich weniger schneereichen, eher tiefer gelegenen Stationen viel Neuschnee erhielten. Von den höher gelegenen, langjährigen IMIS-Stationen erreichte einzig die Station Laucheren im Meiental (UR) einen neuen 2-Tages Neuschneerekord.
Tab. 1: Aussergewöhnliche 2-Tages-Neuschneesummen am Freitagmorgen, 05.04.2019, gemessen an den manuellen Messfeldern von SLF und MeteoSchweiz.
Station (Kanton) | Höhe (m ü.M.) | Messdauer (Jahre) | 2-Tages Neu-schneesumme (cm) | Rang |
Guttannen (BE) | 1055 | 72 | 160 | 1 |
Gadmen (BE) | 1190 | 66 | 112 | 1 |
Göscheneralp (UR) | 1550 | 31 | 160 | 2 |
Göschenen (UR) | 1110 | 51 | 136 | 2 |
Gurtnellen (UR) | 950 | 51 | 117 | 2 |
Engelberg (OW) | 1055 | 70 | 95 | 2 |
Diavolezza (GR) | 2090 | 74 | 100 | 3 |
Meien (UR) | 1320 | 66 | 130 | 4 |
Juf (GR) | 2117 | 25 | 89 | 4 |
Curaglia (GR) | 1330 | 43 | 89 | 7 |
Ritom (TI) | 1800 | 64 | 128 | 8 |
Corvatsch (GR) | 2690 | 26 | 91 | 9 |
Andermatt (UR) | 1440 | 79 | 101 | 10 |
Ungewöhnlich grosse Schneehöhen für einen 5. April ¶
In mittleren Höhen liegt um diese Jahreszeit normalerweise nicht mehr allzu viel Schnee. Deshalb reichten die grossen 2-Tages-Neuschneesummen an folgenden 3, eher tief gelegenen Messfeldern für die höchsten, je an einem 5. April gemessenen Schneehöhen:
- Curaglia (GR, 1330 m): 75 cm
- Engelberg (OW, 1550 m): 84 cm
- Guttannen (BE, 1055 m): 98 cm
In grosser Höhe lag schon davor viel Schnee, so dass nach dem Grossschneefall an fast einem Drittel der IMIS-Stationen mit mindestens 10-jähriger Messreihe (35 von 115) so viel Schnee gemessen wurde wie noch nie an einem 5. April. Darunter waren allerdings auch einzelne Stationen, die während des aktuellen Winters durch Lawinen getroffen wurden und seither zu grosse Schneehöhen lieferten. Jede 5. Station mass den zweithöchsten Wert (23 von 115). Die grössten oder zweitgrössten Schneemengen traten vor allem am Alpenhauptkamm vom Oberwallis ostwärts, in den Urner Alpen und in Graubünden auf (Abbildung 3). Die Schneehöhen waren praktisch in den ganzen Schweizer Alpen überdurchschnittlich, am Oberwalliser Alpenhauptkamm und am östlichen Alpenhauptkamm sogar stark überdurchschnittlich (Abbildung 4).
Hohe Lawinenaktivität bereits während des Schneefalls ¶
Der Neuschnee fiel auf eine verbreitet günstig aufgebaute, stabile Schneedecke. Brüche in tiefen Altschneeschichten wurden denn auch keine bekannt. Trotzdem wurde in diversen Gebieten eine sehr hohe Lawinenaktivität beobachtet (Abbildung 5 und Bildstrecke). Dabei standen folgende Schwachschichten im Zentrum:
- Brüche am Übergang vom Altschnee zum Neuschnee. Dies vor allem an windgeschützten Nordhängen, wo die Altschneeoberfläche aus kantig aufgebauten Kristallen bestand und damit eine ungünstige Unterlage für den Neu- und Triebschnee darstellte.
- Brüche innerhalb des Neu- und Triebschnees. Kurzfristig können auch innerhalb des Neu- oder Triebschnees sehr schwache Schichten vorhanden sein sein. Bei so intensiven Schneefällen können auch daraus beachtliche Lawinen abgehen.
Wegen der schlechten Sicht wurden viele grössere Lawinen nur gehört statt gesehen. Am Freitag waren viele Lawinen kaum mehr zu erkennen, sodass vermutlich nur ein kleiner Teil davon gemeldet wurde. Überraschend war die teils hohe Lawinenaktivität auch in Gebieten mit relativ wenig Neuschnee. Diese betraf oft hoch gelegene Nordhänge (Abbildung 6).
Samstag 06. bis Donnerstag, 11.04.: Rascher Rückgang der Lawinengefahr bei wechselhaftem Wetter ¶
Wetter ¶
In der Folge war es bei flacher Druckverteilung wechselhaft mit meist schwachen Winden. Oberhalb von etwa 1500 m fiel verschiedentlich Schnee, die Mengen waren insgesamt aber bescheiden.
- Am Samstag war es nach einem kurzen Nordwindschub mit mässigem und lokal starkem Südföhn im Süden bedeckt und im Norden meist sonnig.
- Am Sonntag war es im Osten teils sonnig, sonst bewölkt. Vor allem im Wallis fiel etwas Schnee, am meisten vom Monte Rosa bis zum Simplon Gebiet mit etwa 25 cm.
- Von Montag bis Mittwoch war es genau umgekehrt: ziemlich sonnig im Westen und Süden, stark bewölkt im Osten. Am Dienstag fielen Berninagebiet etwa 30 cm Schnee, sonst deutlich weniger.
- Am Donnerstag war es meist bewölkt mit gebietsweise wenig Niederschlag. Im Norden blies eine mässige Bise, in der Höhe mässiger Nordostwind.
Schneedecke und Lawinen ¶
Schwachschichten innerhalb des Neuschnees verfestigen sich innerhalb von Stunden oder maximal wenigen Tagen. Dies ist der Grund, warum trotz hoher Lawinenaktivität während der Schneefallperiode die Gefahr in den folgenden Tagen rasch abnahm. Anders die Altschneeoberfläche an windgeschützten Nordhängen. Weil sich Schichten aus kantig aufgebauten Kristallen nur langsam verfestigten, konnten hier vor allem in den Regionen mit wenig Neuschnee und an schneearmen Stellen noch längere Zeit Lawinen ausgelöst werden (Abbildung 6).
Ab Sonntag ging die Lawinengefahr vor allem von meist kleinen Triebschneeansammlungen aus, die sich in der Höhe und zu Beginn auch in den Föhngebieten des Nordens gebildet hatten. Vor allem zu Beginn der Berichtsperiode waren zudem feuchte Rutsche und nasse Lawinen zu beachten. Trotz verhaltener Temperaturen wurden Nordhänge bis über die Waldgrenze hinauf nass, und vielerorts bis auf über 2500 m oberflächlich leicht feucht. Dies trübte nicht nur den Spass am Skifahren, sondern führte in mittleren Lagen auch zu einer Schwächung der Schneedecke. Feuchte Rutsche gingen damit nicht nur aus Sonnenhängen, sondern unterhalb von rund 2000 m auch aus Nordhängen ab (siehe Bildgalerie).
Auch in dieser Berichtsperiode gingen immer wieder Gleitschneelawinen nieder. Diese waren zwar nicht allzu zahlreich, mit der mächtigen Schneedecke aber teils gross (Abbildung 7).
Bei der meist günstigen Lawinensituation und der wenig dynamischen Wetterentwicklung wurde die Morgenausgabe des Lawinenbulletins am Dienstag, 09.04. bis auf weiteres eingestellt. Die Abendausgabe erscheint weiterhin täglich.
Unfälle und Schadenslawinen ¶
Die Lawinen während und kurz nach dem Grossschneefall waren zwar teils sehr gross, aber nur selten aussergewöhnlich. Grössere Gebäude- oder Waldschäden wurden keine gemeldet. In dieser Berichtsperiode wurden folgende Unfall- und Schadenslawinen registriert:
- Freitag, 05.04.2019: Eine Lawine bei der Fuchsegg (Realp, UR) riss ein Pistenfahrzeug 60 m mit. Der Fahrer blieb unverletzt, es blieb bei Sachschaden.
- Freitag, 05.04.2019: Ein Freerider löste am Brämabüel (Davos, GR) eine Lawine aus und wurde erfasst. Es blieb bei Materialverlust.
- Freitag, 05.04.2019: Eine grosse Schneebrettlawine am Geissberg (Andermatt, UR) verursachte eine Suchaktion. Es zeigte sich, dass niemand erfasst worden war.
- Dienstag, 09.04.2019: Beim Schneeräumen im Göscheneralptal (UR) wurde eine Person von einer spontanen Lawine erfasst und ganz verschüttet. Sie wurde nach 1½ Stunden von einem Lawinenhund gefunden und mit mittelschweren Verletzungen ins Spital geflogen.
Nächster Wochenbericht ¶
Wegen Ostern erscheint der nächste Wochenbericht bereits am Mittwoch, 17.04. auf Deutsch und am Donnerstag, 18.04. auf Französisch.
Gefahrenentwicklung
Lawinenbulletins dieser Zeitperiode im Überblick.