Wochenbericht 01. Oktober - 31. Oktober 2018

Oktober 2018: Goldener Herbst, von Grossschneefall beendet

Wie in den Monaten davor zeigte sich auch der Oktober lange Zeit zu trocken und zu warm. Dieses schon fast zur Gewohnheit gewordene Wetter wurde dann aber gegen Monatsende von einer anhaltenden, feuchten Südstaulage beendet. Diese brachte nicht nur dem Süden, sondern auch den nördlich daran angrenzenden Gebieten teils aussergewöhnlich grosse Regenmengen und viel Schnee (vgl. Bildstrecke). In dieser Situation wurden tägliche Lawinenbulletins herausgegeben und am Monatsende gebietsweise vor grosser Lawinengefahr (Stufe 4) gewarnt.

Bild 1 von 12
Bildstrecke/Foto1: Ein kräftiger Wintereinbruch beendete den goldenen Herbst. Val Lumnezia (GR) auf 1380 m (Foto: N. Vanhaelen, 28.10.2018).
Bild 2 von 12
Weisse Pracht am Büelenberg auf 2100 m, Davos, GR (Foto: SLF/L. Eberhard, 02.10.2018).
Bild 3 von 12
Blick über den wasserarmen Alteinsee (2252 m) zum Sandhubel (2763 m, Arosa, GR). Steile Nordflanken erhalten um diese Jahreszeit keine Sonne mehr, so dass trotz milden Temperaturen der Frost auch tagsüber bestehen blieb. Schneereste der letzten Niederschläge waren noch oberhalb von etwa 2500 m vorhanden. (Foto: SLF/Th. Stucki, 20.10.2018).
Bild 4 von 12
Blick von der Belalp (Naters, VS) über das Rhonetal zum 3985 m hohen Fletschhorn (rechts) und zum 3553 m hohen Monte Leone (links). Um diese Jahreszeit erhalten steile Nordflanken keine Sonne mehr, so dass der in der ersten Oktoberhälfte bis auf etwa 2600 m gefallene Schnee liegen blieb (Webcam „Bruchegg“, 23.10.2018).
Bild 5 von 12
Noch kam das Weiss von Margeriten, nicht von den Schneeflocken. Blick von der Schwägalp (Hundwil, AR) zum komplett aperen Säntis (Foto: P. Diener, 26.10.2018).
Bild 6 von 12
Im Westen fiel deutlich weniger Niederschlag, aber für winterliche Verhältnisse im Emosson (Finhaut, VS) reichte es allemal (Foto: J.-L. Lugon, 27.10.2018).
Bild 7 von 12
Was machen Lawinenwarner eigentlich im Herbst? Das Auto freischaufeln und Bulletins schreiben… Davos-Monstein (GR) auf 1600 m (Foto: SLF/C. Pielmeier, 28.10.2018).
Bild 8 von 12
Auch auf den Juragipfeln wurde es vorübergehend Winter. Hier auf dem Mont Raimeux (Grandval, BE) auf 1300 m (Foto: D. Joray, 28.10.2018).
Bild 9 von 12
58 cm Schnee in Alvaneu Dorf (GR) auf gerade mal 1170 m – und das im Oktober (Foto: R. Meister, 28.10.2018).
Bild 10 von 12
Ein schneereicher Winter kann kommen; der Pegel auf dem Messfeld in Sedrun (Tujetsch, GR) ist bereit (Foto: N. Levy, 29.10.2018).
Bild 11 von 12
Dauerregen im Tal heisst in der Höhe viel Schnee. Gondo (Zwischbergen, VS) am Dienstag, 30.10.2018 (Webcam).
Bild 12 von 12
Lawinenablagerung mitten in den herbstlich gelben Lärchen im Saastal (Eisten, VS) auf 1400 m (Foto: G. Voide, 01.11.2018).

Übersicht Wetter und Schneesituation

Der nasskalte Start in den Oktober war von kurzer Dauer (Abbildung 1). Danach war es wochenlang mild und oft sonnig. Zum Monatsende brachte eine anhaltende Südstaulage dem Süden aussergewöhnlich ergiebige Niederschläge und in der Höhe und im Norden Schnee.

  1. Oktober: Im Norden Schnee bis in mittlere Lagen

Am Montag, 01.10. war es stark bewölkt mit Niederschlag. Insgesamt fielen vom Sonntagabend, 30.09. bis Dienstagmorgen, 02.10. folgende Niederschlagsmengen:

  • Alpennordhang, westlichstes Unterwallis, Nordbünden: 20 bis 40 mm, in der nördlichen Zentralschweiz und im Alpstein bis zu 50 mm
  • übrige Gebiete: 10 bis 20 mm, im südlichen Oberwallis und im Süden weniger

Die Schneefallgrenze sank  im Norden von 2400 m bis auf rund 1400 m. Oberhalb von 2800 m entsprach 1 mm Regen in etwa 1 cm trockenem Neuschnee (Abbildungen 2 und 3). Dieser fiel verbreitet auf den aperen Boden. Am Ende eines heissen und trockenen Sommers (siehe „Wochenbericht“ September) lag davor lediglich an steilen Nordflanken im Hochgebirge noch etwas Altschnee.

Bild 1 von 2
Abbildung 2/1: 1-Tages Neuschneesumme am Montagmorgen, 01.10., berechnet aus Radar- und Stationsdaten mit INCA (integrated nowcasting through comprehensive analysis) durch MeteoSchweiz. Im westlichsten Unterwallis und am westlichen Alpennordhang fielen bis zu 30 cm Schnee.
Bild 2 von 2
Abbildung 2/2: 1-Tages Neuschneesumme am Dienstagmorgen, 02.10., berechnet mit INCA durch MeteoSchweiz. Der Niederschlagsschwerpunkt hatte sich in den Nordosten verlagert und brachte dort nochmals 15 cm Neuschnee.

02.-26.10.: Goldener Herbst mit nur kurzen Unterbrüchen

Am Dienstag 02.10. war es im Norden teils bewölkt, am Mittwoch, 03.10. im Nordosten bedeckt. Sonst war es bis am Freitag, 05.10. meist sonnig und bald wieder warm mit einer Nullgradgrenze gegen 4000 m. Nach zwei teils bewölkten Tagen war es am Montag und Dienstag, 08./09.10. in den Bergen wiederum sonnig und trotz Bise sehr mild.

Von Mittwoch, 10. bis Dienstag, 16.10. folgten sich zwei Phasen mit Südföhn, während denen es im Norden meist sonnig und warm blieb. Im Süden fiel während der ersten Phase, von Mittwoch 10. bis Donnerstag, 11.10. vom Simplon Gebiet bis in das nordwestliche Tessin 30 bis 50 cm Niederschlag. Mit der warmen Luft  fielen nennenswerte Schneemengen aber auch dort nur oberhalb von 2600 bis 3000 m (Abbildung 4). Nach zwei meist sonnigen Tagen brachte die zweite Föhnphase dem Süden am Montag, 15.10. wiederum Staubewölkung, aber dieses Mal nur unbedeutende Niederschläge.

In der Folge reihte sich bis am Dienstag, 23.10. ein goldener Herbsttag an den andern (Abbildung 5). Am Mittwoch, 24.10. fiel im Norden wenig Niederschlag. Im Süden war es dank Nordföhn nicht nur warm, sondern heiss. Mit 30.5 °C in Locarno mass MeteoSchweiz zum ersten Mal einen Hitzetag im Oktober – und das erst noch gegen Ende Monat (siehe Blog von MeteoSchweiz). Mit dem Föhn kühlte es auch in der Nacht nur wenig ab, so dass gebietsweise eine Tropennacht gemessen wurde.  Am Donnerstag, 25.10. war es in der ganzen Schweiz sonnig und warm, am Freitag, 26.10. im Norden nochmals.

27. bis 31. Oktober: Grossschneefall im Süden, in der Höhe teils sehr kritische Lawinensituation

Von Samstag, 27.10. bis zum Monatsende brachte eine anhaltende Südströmung ungewöhnlich grosse Niederschläge. Diese betrafen nicht nur den Süden, sondern griffen zu Beginn auch weit nach Norden über.

Sehr grosse 1 Tages-Neuschneesumme am Sonntagmorgen, 28.10.

Bereits am Samstag fiel verbreitet Niederschlag, oberhalb von rund 2400 m im Süden bzw. 1200 bis 1800 m im Norden als Schnee. In der Nacht auf Sonntag, 28.10. waren die Niederschläge im Süden, aber auch in den nördlich angrenzenden Regionen vom Gotthardgebiet bis nach Graubünden sehr intensiv (Abbildung 6). Im Norden sank die Schneefallgrenze vorübergehend unter 1000 m. Besonders in Graubünden waren die Schneefälle für einen Oktobertag aussergewöhnlich. So wurden an drei Stationen noch nie im Oktober so grosse 1 Tages-Neuschneemengen  gemessen (Tabelle 1), an 5 weiteren Stationen, bis auf eine Ausnahme ebenfalls in Graubünden, erst ein oder zwei Mal.

Tab. 1: Extreme 1 Tages-Neuschneehöhen für den Monat Oktober, gemessen am 28.10.2018
StationNeuschnee 1 Tag (cm), gemessen am 28.10.2018Rang (Vergleich mit allen Oktober-Messungen dieser Station)Messung seit
Arosa (5AR)7211890
Vals (5VS)6811970
Splügen (5SP)5911951
Disentis (DIS)5521946
Zuoz (7ZU)5421944
Weissfluhjoch Davos (5WJ)5231937
Simplon Hospiz (4SH)4531954
Chur (Chu)1031888

Aussergewöhnlich grosse 3 Tages-Niederschläge am Dienstagmorgen, 30.10.

Am Sonntag nahmen die Niederschläge tagsüber etwas ab und die Schneefallgrenze stieg aus Südosten auf rund 2200 m an. Am Montag, 29.10. war der Niederschlag im Süden nochmals anhaltend und intensiv, wobei der Niederschlagsschwerpunkt dieses Mal den westlichen Tessin und den Oberwalliser Alpenhauptkamm traf. Die Schneefallgrenze lag bei 2000 bis 2300 m, im Westen bei 1500 m.

Gemäss MeteoSchweiz fielen bis am Dienstagmorgen, 30.10. innert 3 Tagen am Alpensüdhang verbreitet 200 bis 300 mm Regen, im östlichen Tessin sogar 300 bis 420 mm. In den angrenzenden Gebieten vom Oberwallis über das Gotthardgebiet bis nach Nordbünden und im Oberengadin wurden 150 bis 240 mm gemessen. So viel Niederschlag in 3 Tagen ist selten:

  • Extrem waren die Niederschläge im sonst eher niederschlagsarmen Oberengadin sowie im Albula- und Juliergebiet mit Wiederkehrperioden von 100 Jahren oder mehr.
  • In Nord- und Mittelbünden und im Puschlav sind solche Werte alle 25 Jahre oder noch seltener zu erwarten.
  • Selbst im Starkniederschläge gewohnten Tessin sowie im Gotthardgebiet und im Oberwallis sind solche Niederschlagsmengen gross, wenn auch nicht aussergewöhnlich. Sie sind dort statistisch alle 3 bis 10 Jahre zu erwarten. 
Tab. 2: Von MeteoSchweiz gemessene, extreme 3 Tages-Niederschläge, gemessen am 30.10.2018
StationNiederschlag (mm)bisheriger HöchstwertRangMessung seit
Segl-Maria22522311864
Savognin21321421892

Eine Einordnung der dreitägigen Niederschläge punkto Schneefall gestaltet sich schwierig, weil die Schneefallgrenze zeitweise über 2000 m lag und es in den betroffenen Gebieten keine so hoch gelegenen manuellen Messstationen gibt. Auch aus den Schneemessungen der automatischen IMIS-Stationen geht das Oberengadin als die am stärksten betroffene Region hervor. Mit 170 bis 180 cm wurden 3 Tages-Neuschneesummen gemessen, wie sie nur alle 10 bis 20 Jahre zu erwarten sind. Eine ähnlich hohe Wiederkehrperiode ergibt sich auch lokal im Simplon Gebiet. Allerdings sind diese Werte ziemlich unsicher, weil sie auf berechneten Neuschneehöhen basieren. Ein Grund dafür, dass sie unter denjenigen des Flüssigniederschlags liegen, könnte eine ungewöhnlich hohe Schneedichte sein, wie sie vom Schneedeckenprogramm SNOWPACK berechnet wurde. Bei gleicher Masse (kg/m2) ergibt sich bei hoher Dichte eine geringere Neuschneehöhe (cm). Ein weiterer Grund können nicht erkannte Fehlmessungen oder Lawinenabgänge auf die Stationen in der Vergangenheit sein. Diese können dazu führen, dass an IMIS-Stationen in der Vergangenheit falsche, grosse  Neuschneemengen berechnet wurden. Solch grosse, falsche Werte führen zu einer Unterschätzung der Jährlichkeiten eines richtigen modellierten Ereignisses.

Am Monatsende schon wieder viel Schnee im Süden

Nach einer leichten Beruhigung waren die Niederschläge von Mittwochmittag, 31.10. bis Donnerstagvormittag, 01.11. nochmals sehr intensiv. Bei einer Schneefallgrenze um 1500 m fielen vom Simplon Gebiet bis ins westliche Tessin weitere 50 bis 90 cm Schnee. Damit wurden bis am Donnerstagmorgen, 01.11. oberhalb von rund 2200 m in 6 Tagen insgesamt die unten angegebenen Schneemengen gemessen (Abbildung 7). Auf dieser Höhe war der Schnee teils feucht und zwischenzeitlich fiel lokal sogar Regen. Oberhalb von 2500 bis 2800 m waren die Schneehöhen daher wohl noch etwas grösser.

  • Alpenhauptkamm vom Saastal bis ins Gotthardgebiet, zentraler Alpensüdhang: 200 bis 300 cm, im südlichen Simplon Gebiet lokal noch mehr
  • daran angrenzende Gebiete, Mittelbünden, Oberengadin, Bergell, Puschlav, Münstertal: 100 bis 200 cm
  • übrige Gebiete: 40 bis 100 cm, nördlich vom Nördlichen Alpenkamm weniger
  • Jura: ca. 20 bis 30 cm auf Gipfelhöhe

Schneedecke und Lawinen

In den Bergen lag vor dem Grossschneefall von Ende Oktober nur im Hochgebirge eine dünne, teils zusammenhängende Altschneedecke. Sonst fiel der Schnee verbreitet auf den aperen Boden. Trotzdem wurden ab Dienstag, 30.10. an den meisten auf über 2000 m gelegenen Messstationen des Oberwalliser Alpenhauptkammes, des Tessins und Graubündens (ohne Prättigau) so viel Schnee gemessen, wie noch nie an diesem Kalendertag. Allerdings handelt es sich bei den Messstationen meist um IMIS-Stationen mit nur etwa 20 jährigen Messreihen.

Währen der Niederschlagsperiode blies der Südwind oft stark und führte in der Höhe zu umfangreichen Verfrachtungen in die Nordhänge. In der Nacht auf Dienstag, 30.10. tobte er stürmisch und lokal sogar orkanartig. Dabei entstanden diverse Sachschäden, wie z.B. abgedeckte Häuser oder zwei umgeknickte Strommasten am Albulapass.

Anders als beim Wind waren die grossen Niederschläge glimpflich ausgegangen. Der vor den Schneefällen weitgehend apere Boden hatte die Auslösbarkeit von Schneebrettlawinen reduziert. Dass der Lawinenwarnung trotz der grossen Schneefälle und des Windes nur wenige Lawinen gemeldet wurden, hatte nebst dem Fehlen einer langlebigen Schwachschicht  wohl auch noch andere Gründe: Bei der oft hohen Nullgradgrenze waren trockene Lawinen erst oberhalb von rund 2500 bis 2800 m zu erwarten. Zudem waren noch die meisten Skigebiete geschlossen und es hatten noch lägst nicht alle SLF-Beobachter ihre Arbeit aufgenommen. Zu erwarten also, dass zwar Lawinen abgegangen sind, aber nicht beobachtet und gemeldet wurden.

In hohen Lagen war auf dem zuvor aperen und oft warmen Boden mit Gleitschneelawinen zu rechnen (Abbildung 8). Weil sich Schwachschichten innerhalb des Neu- und Triebschnees in der Regel schnell verfestigen, konnte nach dem Ende der Grossschneefälle in den Hauptniederschlagsgebieten von einem raschen Rückgang der Lawinengefahr ausgegangen werden.

Lawinenbulletins

Bereits am Sonntag, 30.09., also noch im letzten hydrologischen Jahr, wurde ein situationsbezogenes Lawinenbulletin herausgegeben. Es warnte vor dem Anstieg der Lawinengefahr, hervorgerufen vom Schneefall vom Montag, 01.10.

Während den Schneefällen im Süden wurden ab Freitag, 26.10. tägliche Lawinenbulletins herausgegeben. Diese erschienen zunächst in Textform, seit Dienstag, 30.10. mit Gefahrenkarte.

 

Gefahrenentwicklung

Lawinenbulletins dieser Zeitperiode im Überblick.

 

den nächsten AvaBlog öffnen